Die Studie löste Bestürzung aus. Auch wenn die Kirche seit Aufdeckung der Skandale bereits einiges unternommen hat, stellt ZDFzoom die Frage: Reichen die Maßnahmen aus, um Missbrauch in Zukunft zu verhindern?
"Wir haben zu lange weggeschaut…für dieses Versagen möchte ich um Entschuldigung bitten." Mit diesen Worten kommentierte Kardinal Marx im Herbst 2018 die Ergebnisse der MHG-Studie, die den sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche untersucht hat. Die Wissenschaftler erkannten Strukturen innerhalb der Kirche, die diesen Missbrauch begünstigen: den Missbrauch klerikaler Macht, eine problematische Sexualmoral sowie den Umgang mit dem Zölibat. "Das Ausmaß des Missbrauchs und der Umgang der Verantwortlichen damit haben mich erschüttert", so der Studienleiter, Prof. Dr. Harald Dreßing im Interview mit ZDFzoom. Bringt die Studie nun die Kehrtwende?
79 Prozent der Katholiken sind der Meinung: die Kirche tue nicht genug um Missbrauch aufzuarbeiten. Auch das Vertrauen hat „etwas oder sehr“ gelitten, bei 70 Prozent ist das der Fall. Das ergab eine repräsentative Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen Ende Januar im Auftrag von ZDFzoom. Die katholische Kirche hat viel unternommen seit den Missbrauchsskandalen 2010, doch hat sie ausreichend Konsequenzen gezogen?
Bereits 2011 hatte ZDFzoom Opfer von Missbrauch im bayrischen Ettal getroffen und über sie berichtet. Auch Robert Köhler hat Missbrauch durch Geistliche erlebt. Wie sieht er die Kirche heute? Er schildert den Autoren der Dokumentation seine Sicht auf die bisher geleistete Aufarbeitung und die Frage, ob diese gelungen ist. Wunibald Müller ist Theologe und Psychotherapeut. Er hat Täter und Opfer betreut, fordert Reformen in Sachen Zölibat, Homosexualität und Priesteramt: "Wir fahren die Kirche mit Karacho gegen die Wand, wenn wir es nur bei Absichtserklärungen belassen", so seine Warnung in ZDFzoom.
Dabei gibt es Bischöfe, die erkannt haben, dass sich etwas grundlegend in der Kirche ändern muss. ZDFzoom trifft die Bischöfe von Freiburg und Hildesheim, sie finden deutliche Worte. "Es gibt nur dann einen Weg in die Zukunft, wenn externe Spezialisten ins Boot geholt werden, um Licht in dunkle Stellen zu bringen", so Bischof Heiner Wilmer.
2010 hatte das Aufdecken von Missbrauchsskandalen quer durch die Republik schockiert. Die Internatsschule im Kloster Ettal, das Berliner Canisius-Kolleg, die Regensburger Domspatzen - die hohe Zahl der Opfer rüttelte auf. Seitdem ist einiges passiert: Die katholische Kirche hat Leitlinien zum Umgang mit dem Missbrauch verabschiedet. In den Bistümern gibt es Präventions- und Missbrauchsbeauftragte, Zahlungen in Anerkennung des Leids, Fortbildungen. Die Kirche will verlorenes Vertrauen zurückgewinnen, doch reichen diese Maßnahmen, um Missbrauch in Zukunft zu verhindern?
Auch der Vatikan hat erkannt, dass es beim Thema Missbrauch keinen Aufschub geben darf. Alle Augen richten sich nun auf das Treffen der Bischofskonferenz-Vorsitzenden beim Papst Ende Februar 2019. Werden dort die Weichen für tiefgreifende Veränderungen in der Kirche gestellt? Dabei geht es auch um die Frage nach Aufhebung des Pflicht-Zölibats.
Anlass für die ZDFzoom Dokumentation ist ein Gipfel-Treffen führender Bischöfe beim Papst zum Thema Missbrauch vom 21. bis 24. Februar 2019 in Rom.