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„Die AfD hat keine positive Utopie“

Politologe Carsten Koschmieder im Gespräch

Vor dem AfD-Bundesparteitag in Braunschweig am kommenden Wochenende formieren sich die Lager. Es geht um die Macht des Flügels, einer parteiinternen Gruppierung am rechten Rand. Ein Gespräch mit dem Politologen und AfD-Experten Dr. Carsten Koschmieder, ...

Videolänge:
6 min
Datum:
27.11.2019

ZDF: Wo bewegt sich die AfD politisch hin?

Dr. Carsten Koschmieder: Also die AfD bewegt sich in den letzten Jahren eindeutig nach rechts. Und jetzt ist die Frage wo genau sie sich hinbewegt hat. Aber erstmal, wenn wir uns sozusagen die letzten Jahre, die Entwicklung angucken, dann sehen wir es vom Personal, von der Rhetorik, von den Programmen aber auch von den Wählerinnengruppen ist die Partei eindeutig von irgendwo noch konservativ nach rechts-außen gerückt. Ob es jetzt rechtsextrem, rechtsradikal ist noch die Frage, die auch in der Wissenschaft nicht abschließend beantwortet wird, oder werden kann im Moment. Aber die AfD hat sich sehr, sehr deutlich nach rechts bewegt und das merkt man auch in der öffentlichen Darstellung der Partei.

ZDF: Ist denn die AfD im Moment die Partei, die den rechten Konservatismus beerbt oder ist es was anderes?

Dr. Carsten Koschmieder: Also die AfD ist keine konservative Partei. Die AfD hat viele rechtsextreme, rechtsradikale Positionen. Sie vertritt in einzelnen Politikfeldern auch konservative Positionen, oder eben Positionen, die die CDU in 80er, 70er, 60er, 50er Jahren hatte. Aber eine konservative Partei macht ja mehr aus als zu sagen, als einzelne konservative Positionen sich so steinbruchartig rauszunehmen, sondern der Konservatismus ist ja eine Ideologie. Und den vertritt die AfD nun wirklich überhaupt nicht.

ZDF: Wo würden Sie sagen kollidiert die AfD-Programmatik, die AfD-Politik mit dem Konservatismus Verständnis beispielsweise einer CDU?

Dr. Carsten Koschmieder: Ein wichtiger und auch häufig schon untersuchter Punkt ist auf jeden Fall die Familienpolitik, die ja in der CDU sich deutlich gewandelt hat. Und die CDU ist immer noch in vielen Punkten konservativer als andere Parteien. Aber sie erkennt eben an, dass es nicht nur Familien gibt, in denen irgendwie Vater, Mutter, viele Kinder und Mutter bleibt zu Hause, Vater ernährt die Familie, dass sozusagen dieses Familienbild, das erkennt heute auch eine konservative Partei an. Das es eben nicht der Lebenswirklichkeit entspricht. Und die AfD ist da sozusagen zwei Schritte dahinter und sagt, nein, das ist irgendwie das Bild, das wollen wir. Das wollen wir fördern. Und in der – sozusagen in dem Vergleich ist die AfD konservativ und vertritt nur Positionen, die die CDU früher hatte, kann man an dem Beispiel auch sehen. Die AfD ist nicht sozusagen eine Partei, die die gute, alte Familie wieder herstellen will und das ins Zentrum der Familienpolitik rückt, sondern die AfD macht Bevölkerungspolitik, nennt man das. Das ist ein großer Unterschied zur Familienpolitik, weil es ihr eben nicht um die einzelne Familie geht, die sozusagen gestärkt, geschützt werden soll, die ganz wichtig ist und die vor allen Dingen gut ist, wenn der Mann arbeitet und die Frau zu Hause ist, sondern es geht sozusagen um, aus – aus einer nationalistischen Perspektive, das Land muss gestärkt werden. Wir brauchen bestimmte – wir brauchen irgendwie mehr Kinder, wir brauchen bestimmte Gruppen von – also von bestimmte Gruppen sollen möglichst viele Kinder haben, irgendwie möglichst die Gesunden und so weiter. Also das ist Familien äh – Bevölkerungspolitik ist ein ganz großer Unterschied zu Familienpolitik und hat auch nichts mehr mit Konservatismus zu tun, sondern es ist sozusagen, das wir eher aus – aus so totalitären Gesellschaften kennen, die eben sich ein Staatsvolk heranziehen wollen, was sie dann beispielsweise irgendwie in einem Krieg verheizen können.

ZDF: Ich würde mal auf der anderen Seite sagen, man hat im Moment fast inflationär den Nazivergleich mit der AfD. Der ist aus meiner Sicht etwas über das Ziel hinausgeschossen. Geht man da vielleicht als Mehrheitsgesellschaft zu inflationär mit dem Nationalsozialismus um?

Dr. Carsten Koschmieder: Also historische Vergleiche mit dem Nationalsozialismus sind grundsätzlich schwierig und bergen auch immer die Gefahr, dass der Nationalsozialismus, die – die NS-Diktatur und so verharmlost werden. Das ist natürlich erstmal – sollte man damit vorsichtig umgehen. Jetzt kann man analysieren, dass beispielsweise wie ein Björn Höcke, die Sprache des NS benutzt. Und es gibt ja irgendwie viele Arbeiten zu, dass er sich extra Reden von Goebbels leicht umschreibt und so. Und die Frage ist was ist damit gewonnen? Also was – was sagt mir das, dass ich diese Sprache so analysiere und das jetzt auch zum Beispiel in diesem abgebrochenen Interview so auf die Sprache geguckt wird? Das ist interessant, auch gerade für mich als Wissenschaftler. Aber ist es sozusagen, das was wirklich in der Öffentlichkeit diskutiert werden sollte? Oder sollte nicht sozusagen stärker diskutiert werden: was will die AfD in verschiedenen Politikfeldern? Auch bei Rente und Sozialem und so weiter? Aber eben auch bei Fragen nach Staatsbürgerschaft, nach Migration. Was will die AfD und was für ein Land wäre das, wenn das, was die AfD möchte umgesetzt würde. Und das fände ich sozusagen wichtiger als zu gucken, welche Sprache benutzt die AfD oder sind irgendwie einzelne Punkte ähnlich wie die Nationalsozialisten, die gefordert haben.

ZDF: Ich glaube, eine ganz wichtige Frage, ist ja auch eine Kernfrage, auf die wir jetzt zu kommen. Was für ein Land möchte die AfD? Sie haben das Programm analysiert, haben Reden analysiert. Wie kann man sich da den Entwurf vorstellen, was für ein Deutschland will die AfD?

Dr. Carsten Koschmieder: Die AfD ist auf jeden Fall erst mal rückwärtsgewandt. Sie hat keine positive Utopie, wie beispielsweise ein schönes Land aussehen könnte, sondern sie glaubt, es hat mal einen schönen Zustand gegeben, in dem alle Deutschen deutsch waren, es hier keine Fremden gab. Was natürlich eine absurde Vorstellung ist, von so einer homogenen Gesellschaft, die es nie – das ist eine Wahnvorstellung. Das hat es nie gegeben. In der irgendwie jeder seinen Platz hat, in der es keine Globalisierung gab, in der irgendwie den älteren und den – den höherstehenden wurde irgendwie Respekt entgegengebracht – man sprach noch ordentliches Deutsch und all diese Dinge, die Sie auch im Parteiprogramm dann – in einzelnen Forderungen finden. Zum Beispiel, dass wir wieder so reden sollen wie unsere Großeltern. Und das alles zusammengenommen ist sozusagen das, wo die AfD wieder hin will. Also sie sagt, wir haben diese ganzen Sachen, die uns nicht gefallen und wir wollen wieder in ein Land, wo das alles noch nicht so war.

ZDF: Würden Sie denn sagen die Thüringen-Wahl wurde trotz Höcke gewonnen oder gerade mit diesem, sehr kernigen, rechtsextremen Trommler?

Dr. Carsten Koschmieder: Also es ist noch zu früh, um das abschließend zu beurteilen und es sind sozusagen noch nicht alle Analysen geschrieben. Aber es gibt erste Anzeichen, die darauf hindeuten, dass es eben trotz Höcke war. Und nicht wegen Höcke. Dass die Leute, nicht die Partei gewählt haben, weil sie Höcke so gut finden. Man sieht es an – an dieser Frage, welche Bedeutung der Spitzenkandidat hatte, bei der Wahl der Partei. Da ist – und an dem Beliebtheitswerten. Da ist Höcke nicht besonders gut. Und man kann es auch an der Erststimmen sehen, die Höcke geholt hat, im Vergleich zu den anderen Kandidaten der AfD. Also hat – er hat sozusagen auch nicht überdurchschnittlich abgeschnitten, während in der Regel die Spitzenkandidaten, weil sie so besonders bekannt sind, weil sie im Wahlkampf ständig auftreten, ja in der Regel ein Ergebnis, was sozusagen über dem Durchschnitt der Partei und der – der anderen liegt. Und das ist bei Höcke beispielsweise nicht der Fall.

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