Aus westlicher Sicht hat Gorbatschow die Welt besser gemacht, aus der Warte Moskaus heute hat er die eigene Weltmacht verspielt. Putin will an zaristische und sowjetische Traditionen des Russischen Imperiums anknüpfen, machtpolitisches Terrain zurückgewinnen.
Alte Stärke wiedergewinnen
Wo im Ausland Russen leben und nationale Interessen - vor allem im postsowjetischen Raum - berührt sind, habe Russland auch Ansprüche: Diese Haltung fand bei der Annexion der Krim ihre Zuspitzung und verschaffte Putin enorme Popularität im eigenen Land. Auch Interventionen in den traditionellen Einflusssphären - wie etwa in Syrien - dienen der Wiederbelebung früherer Macht. Medienwirksame "Superwaffen"-Shows sollen militärische Stärke demonstrieren.
Welche Bedeutung kommt der imperialen Tradition Russlands zu? Die dritte Folge der Doku-Reihe "Supermächte" führt auch zu deren Ursprüngen. Nach dem Untergang von Byzanz (1453) wollte Moskau politisch und religiös - als das "dritte Rom" - am legendären Vorbild anknüpfen, damit begann auch der Aufstieg des Zarentums. Die offizielle Historiografie der Ära Putin nimmt darauf Bezug, hebt große geschichtliche Momente hervor und exponiert Herrscherfiguren, die Beispiel geben sollen: Peter der Große modernisierte und stärkte das Reich, ebnete im Norden den Weg zu den Meeren. Zarin Katharina ließ die Krim erobern. Alexander I. besiegte Napoleon und galt als Retter Europas. Russland wurde zum größten Territorialstaat der Erde.
Internationale Probleme ohne Moskau kaum zu lösen
Nachdem die Existenz der Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg durch den Überfall Hitler-Deutschlands zunächst auf dem Spiel stand, ebnete der Sieg im "Vaterländischen Krieg" Stalins Reich den Weg zur Supermacht. Auf Augenhöhe mit den USA dirigierte Moskau den von ihm beherrschten Teil der bipolaren Welt. Dieses Bild prägt auch heute noch die Erinnerung und die Vorstellung von imperialer Macht.
Umso schmerzlicher wirkt der Zerfall am Ende des vorigen Jahrhunderts. Machtdemonstrationen wie in Georgien, in der Ukraine, auf der Krim oder in Syrien sollen nun wiedergewonnene Stärke vor Augen führen. Doch verhindern wirtschaftliche und demografische Schwächen sowie Sanktionen des Westens den inneren Aufschwung. Gegenüber den USA und China fällt Russland weiter zurück. Doch sind zentrale Probleme internationaler Sicherheit - ob in Europa oder im Nahen Osten - ohne die Einbeziehung Moskaus kaum lösbar.