In der "ZDFzeit"-Dokumentation berichtet Wolfgang Schäuble darüber, was er und Helmut Kohl ihm 1989 im Geheimen erzählt hatten. Und Berlins Ex-Bürgermeister Klaus Wowereit erklärt, weshalb Gysi 2002 wirklich als Bau-Senator zurückgetreten ist.
Das Rampenlicht und die Medien prägen Gysis Leben. Kein Talk, in dem Gysi nicht schon geladen war. "Ich war ja parlamentarisch immer Außenseiter, da habe ich mir meine öffentliche Redezeit eben im Fernsehen geholt", sagt er. In der Konfrontation läuft er zur Hochform auf und zeigt Entertainer-Qualitäten. "Unglaublich charmant" findet ihn Schauspielerin Katharina Thalbach. Auch deshalb ist er ein gesamtdeutscher Politstar geworden und keine rein ostdeutsche Identifikationsfigur. Der 1948 in Berlin geborene Sohn eines DDR-Kulturministers ist auch privat eloquent und scharfsinnig, einen Hang zum Narzissmus bescheinigen ihm Weggefährten. "Er freut sich tierisch, wenn er irgendetwas besser kann", sagt seine Skilehrerin.
Er ist der letzte "linke" Politstar mit DDR-Vergangenheit. Und es ist zumindest umstritten, wie weit seine Verstrickungen in das Regime reichten. Damals verteidigte Gysis Mutter ihn wütend gegen vermeintliche Kampagnen, heute seine Schwester Gabriele. Die Beziehung der beiden – sie Schauspielerin, er gelernter Rinderzüchter und studierter Jurist – ist zwar herzlich, aber schwierig: Gregor hat sich von Putin abgewandt und kritisiert den Krieg, seine Schwester hat Verständnis für Putin und lehnt Waffenlieferungen ab. Für die Dokumentation treffen sich die beiden, besuchen das Elternhaus und das Viertel ihrer Kindheit.
Er beginnt seine Karriere als Redner mit einem typischen Gysi-Spruch: "Ich spreche eigentlich frei. Ich hab's mir diesmal aufgeschrieben, damit ich auch danach noch weiß, was ich gesagt habe." Damit begann auf dem Berliner Alexanderplatz im November 1989 eine der erstaunlichsten deutschen Karrieren. Ein bis dahin unbekannter ostdeutscher Anwalt begeistert die Massen, wird letzter Vorsitzender der Regierungspartei SED. Und wird seitdem entweder angefeindet oder geliebt, dazwischen ist wenig. "Tomaten, Eier, Spucken, das hab' ich alles durch", sagt er. Heute finden ihn alle eher cool, sogar bei einem Finanzberater-Kongress tritt er gern auf. "Früher hätten die Geld gezahlt, damit ich verschwinde. Heute zahlen sie, damit ich hier rede." – Noch so ein typischer Gysi.
Ohne ihn schafft es seine Partei nicht mal mehr in den Bundestag. "Die können sich vergessen, ohne ihn war es das", mein Fußballmanager Uli Hoeneß, der Gysi trotz seiner politischen Orientierung respektiert. "Der kann genauso in die CDU, die hätten dann viel Spaß mit ihm." Doch Gysi ist durch und durch links, für ihn kam ein Parteiwechsel nie infrage. Und die Linke braucht ihn. Das weiß Gysi – aber weiß es auch die Partei?
Seit Anfang 2022 muss sich der einstmals klar Russland-freundliche außenpolitische Sprecher der Linksfraktion im Bundestag neu erfinden. Er bricht mit vielen Idealen seiner Partei schneller und radikaler als andere. Er bereist ohne Personenschutz die Ukraine und muss sich als "Tourist" kritisieren lassen. Er sieht die Kriegsschäden mit eigenen Augen und verweigert doch unbegrenzte Waffenlieferungen aus Deutschland.
"Mensch Gysi!" ist ein Film über den viel kritisierten komischen Kommunisten, dessen Karriere gleichzeitig eine Geschichte Deutschlands seit 1989 ist.