Die Haftungsfrage ist beim Kauf per Onlineplattform unzureichend geregelt. Das legt die gemeinsame Recherche von "Spiegel" und "ZDFzoom" nahe. Derzeit wird auf politischer Ebene über eine sogenannte Plattformbetreiber-Haftung diskutiert.
Plagiate, verbotene Inhaltsstoffe, fehlende Kennzeichnungen
Onlineplattformen wie Wish, AliExpress und Joom liegen im Trend. Doch der Einkauf von Schnäppchen in Fernost bereitet in vielerlei Hinsicht Probleme: Plagiate, verbotene Inhaltsstoffe, fehlende Kennzeichnungen - die Beschwerden häufen sich. Doch wer haftet, wenn die bestellten Produkte gefälscht sind oder gefährliche Mängel enthalten? Und wer kontrolliert die Onlineplattformen?
Kritiker fordern, Plattformen zum Schutz der Verbraucher und des Wettbewerbs stärker zu regulieren, doch bisher wird wenig getan, das zeigen die Rechercheergebnisse von "ZDFzoom" und dem "Spiegel". Ein Problem, das nicht nur Verbraucher und Behörden trifft, sondern auch den Wettbewerb verzerrt.
Zu wenig Kontrollen bei Onlinehändlern
Experten und deutsche Unternehmer kritisieren, dass sich viele asiatische Händler nicht an gesetzliche Regeln halten und sich damit Vorteile verschaffen würden. Immer mehr mittelständische Unternehmen kämpfen deswegen gegen chinesische Händler, die ihre billigen Produkte auf Onlineplattformen anbieten.
Die deutsche Drogeriemarkt-Kette ROSSMANN hat jetzt in einer in Auftrag gegebenen Studie die Kontrolldichte bei Kosmetikprodukten aus dem Onlinehandel abfragen lassen. Ergebnis der Studie, die dem "Spiegel" und "ZDFzoom" exklusiv vorliegt: Knapp 80 Prozent der Behörden geben an, die Lager von Onlinehändlern selten oder nie zu kontrollieren.
Für den Geschäftsführer von ROSSMANN, Raoul Roßmann, ist das nicht hinnehmbar: "Fakt ist: Der Onlinehandel wird nicht kontrolliert durch die Gewerbeaufsichtsämter, sodass wir eine sehr hohe Kontrolldichte im stationären Handel haben. Aber eine sehr geringe im Onlinehandel. Und das finde ich einfach abstrus. Dass wir zwei Welten haben, die nebeneinander her existieren und wo überhaupt keine gemeinsamen Standards gelten."
Lukratives Geschäft - mit Schattenseiten
"ZDFzoom"-Reporter Alexander Harbi begibt sich auf Spurensuche und stößt auf eine Reihe von Beschwerden von Verbrauchern: gar nicht oder zu spät gelieferte Ware, defekte Produkte, schlechte Qualität. Gemeinsam mit einer Familie bestellt "ZDFzoom" mehrere Produkte auf verschiedenen Onlineplattformen, darunter Drohnen, E-Scooter und E-Zigaretten, aber auch Weihnachtsklassiker wie Parfüm. Von Laboren und Experten werden die Produkte geprüft. Das Ergebnis ist erschreckend: Über die Hälfte der bestellten Produkte ist nicht verkehrsfähig. Ein E-Scooter für Kinder wird von Experten als gefährlich eingestuft, ein Parfüm enthält einen Stoff, der in der EU verboten ist.
Auf Plattformen wie Wish, AliExpress und Joom bieten überwiegend Händler aus dem asiatischen Raum Produkte an. Mit teils massivem Marketing über Social-Media-Kanäle werden Verbraucher mit niedrigen Preisen gelockt. Offensichtlich ein lukratives Geschäft - mit Schattenseiten, denn über Onlineplattformen gelangen immer mehr nicht verkehrsfähige oder sogar gefährliche Waren nach Deutschland, die Behörden und Logistikunternehmen vor Herausforderungen stellen.
Experten sind sich einig: Mehr Kontrolle muss her. Denn allein im Internationalen Postzentrum am Flughafen Frankfurt kommen täglich bis zu 450 000 Sendungen aus dem nicht europäischen Ausland an, 80 Prozent davon stammen aus Asien. In der Vorweihnachtszeit können es bis zu 900 000 werden - pro Tag!
- Kamera - Andreas Linde, Terry Manthey