Doch häufig folgen die Richter einfach den Sachverständigen – und das "blind", wie Juristen kritisieren. Die Folge: Nicht Gerichte, sondern Gutachter entscheiden dann faktisch über Geldsegen oder Pleite, Freiheit oder Gefängnis.
Doch müssen Gutachter tatsächlich den notwendigen Sachverstand nachweisen, um tätig werden zu können? Gibt es eine vorgeschriebene Ausbildung oder Kontrollbehörden?
Häufig fehlerhafte Gutachten
Jedes Jahr werden in Deutschland allein im Auftrag der Gerichte rund 400 000 Gutachten erstellt. Die Expertise der Sachverständigen ist gefragt – aber oft auch fragwürdig. Jeder kann sich "Gutachter" und "Sachverständiger" nennen. Die Bezeichnungen sind nicht geschützt. Trotzdem ist die Einschätzung der vermeintlichen Experten in vielen Bereichen ausschlaggebend: bei Streitigkeiten mit Versicherungen oder im Auftrag der Gerichte – oder wenn es um Haftstrafen geht. Die Folgen für alle, die auf einen Sachverständigen angewiesen sind, sind häufig fatal. Immer wieder erweisen sich Gutachter als nicht neutral und unparteiisch, kommt es zu Gefälligkeits- oder Falschgutachten.
Der Fall Kuß
So wie im Fall von Norbert Kuß. Zusammen mit seiner Frau hatte der Beamte eine zwölfjährige Pflegetochter aufgenommen. Das Mädchen war psychisch auffällig, es gab Streit – schließlich beschuldigte die Pflegetochter Kuß des sexuellen Missbrauchs. Der beteuerte immer wieder seine Unschuld. Ein sogenanntes aussagepsychologisches Gutachten wurde erstellt. Das bewertet die Aussagen der Pflegetochter als "mit hoher Wahrscheinlichkeit glaubhaft". Norbert Kuß wurde daraufhin verurteilt und landete im Gefängnis – für fast zwei Jahre. Doch nach seiner Haftentlassung wurden gravierende Mängel an eben diesem Gutachten festgestellt. Er verklagte die Gutachterin auf Schadensersatz und Schmerzensgeld - erfolgreich. In einem Wiederaufnahmeverfahren wurde nachträglich seine Unschuld festgestellt.
Dem Betrug sind Tür und Tor geöffnet
Die investigative Dokumentation von Andreas Baum entlarvt ein Gutachter-System, das in vielen Fällen nur scheinbar von Sachverstand geprägt und eher auf Profit ausgerichtet ist. Wenn die Wünsche der Auftraggeber Priorität haben und neutrale Expertisen nur eine untergeordnete oder gar keine Rolle spielen, dann hat auch Korruption leichtes Spiel.
So konnte ein Frankfurter Oberstaatsanwalt mehr als zehn Jahre lang Gutachten an Firmen eines alten Schulfreundes vergeben – und kassierte kräftig mit. Dabei gehörte die Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen zu seinen Hauptaufgaben. Der Fall Alexander Badle machte 2020 Schlagzeilen und beschäftigt jetzt seine früheren Kollegen und das Gericht. Im Film von Andreas Baum äußert sich Badles Anwalt ausführlich und spricht auch über das weitgehend unkontrollierte Gutachter-System in Deutschland.
Insider packen aus, sie verraten unterschiedlichste Tricks und erläutern, wer falsche Gutachten erstellt, wer davon profitiert - und wer die Leidtragenden sind. Ein Film über die Macht der Gutachter und Machtmissbrauch.