Gegensätze eng nebeneinander. In keinem anderen Bundesland ist die Arbeitslosenquote höher. Beim Bruttoinlandsprodukt aber spielt Bremen ganz oben mit. Renommierte Unistadt – und gleichzeitig macht dort jeder zehnte junge Mensch keinen Schulabschluss.
"Mir war gar nicht bewusst, dass Bremen so eine Rolle spielt in der Raumfahrt", sagt die 21-jährige Emma M. Im Reinraum eines Bremer Raumfahrtunternehmens übt die Werkstudentin an einem Modell, wie man Chips und Kabel an einem Satelliten anbringt. Hätte sie die Möglichkeit, würde sie sofort zum Mond fliegen. Bremen ist für sie der erste Schritt zum Weltraum. Die Stadt ist stolz auf solche Unternehmen und bezeichnet sich auch deshalb als "City of Science". Emma kann sich eine Zukunft in Bremen in der Raumfahrtbranche gut vorstellen, nach dem Studium gibt es dort gute Jobchancen.
Für Aytac A. ist ein Uniabschluss so weit weg wie die Sterne. Der 21-Jährige hat die Schule abgebrochen und sich buchstäblich durchs Leben geboxt. "Ich habe viel Scheiße gebaut, aber seit drei Jahren habe ich mein Leben geändert", sagt der Bremerhavener mit türkischen Wurzeln. Seit November 2022 bietet er in Bremerhaven-Lehe, bekannt als Deutschlands ärmstes Wohnviertel, Hood-Training an: ein kostenloses Boxtraining, um Kids von der Straße zu holen. Das geht nicht ohne klare Ansagen. "Wer sich draußen auf der Straße boxt, hat hier keinen Platz", sagt er seinen Schülern. Den gläubigen Muslim erfüllt die Aufgabe. Sein Geld verdient er noch als Leiharbeiter in einer Lebensmittelfabrik. Aber sein Ziel ist, als Sozialarbeiter in Bremerhaven von seinem Boxtraining zu leben.
So unterschiedlich ihre Lebenswelten im kleinen Bremen sein mögen, was die meisten vereint, ist die Leidenschaft für den Fußballverein Werder Bremen. Wenn die Grün-Weißen spielen, fiebern fast alle mit: der erfolgreiche Immobilienunternehmer Marco Bremermann, der in der Bremer Innenstadt gerade ein großes Gebäude ausbaut, ebenso wie die Arbeiter im Neustädter Hafen, wo Schwergut verladen und in die Welt verschifft wird.
Die Reportage spiegelt das Lebensgefühl des kleinsten Bundeslandes in all seiner Gegensätzlichkeit und Spannung wider. Vor allem junge Menschen zeigen ihren Blick auf die Chancen und die Probleme der Hansestadt an der Weser.