Selbst Biologen finden Sri Lankas Natur erstaunlich: Es gibt 20-mal mehr Tierarten pro Fläche als in Brasilien, die höchste Elefantendichte Asiens und etwa dreimal so viel Leoparden wie im größten Nationalpark Südafrikas.
Zuwanderer und lebende Ikonen
Die Leoparden Sri Lankas verdanken ihren Lebensraum der bewegten Geschichte der Insel. Sri Lanka war einst Teil des Urkontinents Gondwana. Später wanderte es durch die Kontinentaldrift zusammen mit Indien gen Norden und dockte hier an die riesigen Landmassen Eurasiens an. Nicht zu allen Zeiten war die Insel so dicht besiedelt. Viele der Tiere kamen, als der Meeresspiegel während der letzten globalen Kaltzeit mehr als zehn Meter tiefer lag und eine bis zu 80 Kilometer breite Landbrücke Sri Lanka mit Indien verband. Die Zuwanderer haben die Insel bereichert, sie sind ein Grund für die ungewöhnliche Artenvielfalt Sri Lankas. Auch der Leopard ist ein Zuwanderer aus Indien, er folgte seiner Beute, den Axishirschen, über die Landbrücke.
Während die Großkatzen anderswo durch Wilderei bedroht sind, genießen die Tiere in Sri Lanka einen besonderen Schutz: Rund 70 Prozent der Bevölkerung gehören dem Buddhismus an und achten dessen Gebot, sämtlichen Kreaturen Respekt entgegenzubringen und friedlich mit ihnen zusammenzuleben. Kein Geschöpf aber erfährt eine solche Verehrung wie der Elefant. Er ist seit jeher mit den Menschen und ihrer Kultur verknüpft – eine lebende Ikone. Festivals mit prächtig geschmückten Elefanten zählen zu den Höhepunkten des buddhistischen Jahreskalenders. Schon die alten Könige maßen ihre Macht an ihrem Elefantenbesitz. Wilde Elefanten zu zähmen wurde zur gefeierten Kunst – für heilige Rituale, die Arbeit und für den Kampf. Heute leben in Sri Lanka rund 6000 Elefanten in freier Wildbahn. Sie bilden eine eigene Unterart mit Verhaltensweisen, die Elefanten in anderen Teilen Asiens nicht zeigen.
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Zweifaches Geschenk von oben
Ein Elefant braucht 150 Kilogramm pflanzliche Kost am Tag. Bei rund 6000 Tieren in Sri Lanka sind das jährlich über 300.000 Tonnen. Wie kann die kleine Insel Sri Lanka so viele große Tiere ernähren? Es ist der Monsun, der ideale Bedingungen für Pflanzenwachstum schafft – und das gleich doppelt. Denn Sri Lanka besitzt zwei Regenzeiten. Von Mai bis Oktober nimmt der Südwestpassat über dem Indischen Ozean Feuchtigkeit auf. Die nasse Fracht staut sich an den Westhängen des zentralen Hochlands. Regnen die Wolken ab, bescheren sie dem Süden der Insel paradiesische Zustände. Im Laufe des Sommers verschiebt sich das Windsystem. Ab Dezember bringt der Nordostpassat vom Golf von Bengalen Feuchtigkeit, und der Wintermonsun lässt den Norden der Insel erblühen.
Ohne das Hochland wäre das kostbare Nass jedoch verloren. Feuchtigkeit und Kälte haben in bis zu 2500 Meter Höhe einen märchenhaften Nebelwald entstehen lassen, in dem viele Tierarten leben, die es nur hier gibt – wie etwa die Hornagame. Doch das Hochland ist nicht nur für den Artenreichtum der Insel von Bedeutung: Als Wasserfänger versorgen die Bergwälder die gesamte Insel mit Feuchtigkeit. Alle Flüsse entspringen hier. Das Tiefland, das zwei Drittel der Fläche Sri Lankas ausmacht, ist von diesen Lebensadern abhängig, denn außerhalb der Monsunzeiten fällt kaum Niederschlag. Je nach Jahreszeit und Region herrscht entweder üppiges Grün oder strenge Dürre.
Seenland als Tierparadies
Für Tiere, die täglich tonnenweise Pflanzenfutter brauchen, reichen die Ressourcen in der Trockenzeit nicht mehr. Dann wandern die Elefantenherden zu besonderen Oasen: große Seen, deren Wasser niemals versiegt. Am Minneriya-See kommt es jedes Jahr zur größten Ansammlung von Elefanten in ganz Asien. Doch die Tiere lockt nicht nur das Nass, sondern vor allem das junge Gras, das an den fruchtbaren Uferstreifen der Seen wächst – Premium-Futter für Elefanten. Diese Uferstreifen kommen zum Vorschein, wenn der Wasserpegel in der Trockenzeit sinkt. Allein am Minneriya-See entstehen so 3000 Hektar saisonale Weideflächen.
Sri Lanka besitzt Tausende solcher Seen. Die Gewässer sind allerdings nicht natürlichen Ursprungs, sondern von Menschenhand geschaffen. Vor mehr als 2000 Jahren begannen die Herrscher Sri Lankas, das Land für immer zu verändern: Sie errichteten viele tausend Wasserspeicher und Kanäle im gesamten Tiefland.
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Mit dem Bau der Wasserspeicher brach das goldene Zeitalter Sri Lankas an. Eine Hochkultur erblühte. Wo einst nur eine Ernte im Jahr möglich war, konnten zwei gedeihen und den doppelten Reisertrag einbringen. Bis heute hängt die Landwirtschaft von diesem jahrhundertealten System ab. Doch das Vermächtnis der Stauseen ist noch viel größer. Über 40.000 Quadratkilometer erstreckt sich das künstliche Seenland. Das lokale Klima wurde damit kühler und feuchter. Und die Reservoirs, die die Ressourcen der Menschen sichern, sind auch für die Tiere wertvolle Refugien. Es ist eine der wenigen Erfolgsgeschichten, in der die Natur durch den Eingriff von Menschen reicher wurde. Ein Reichtum, der letztlich auf dem Himmelsgeschenk des Monsuns gründet.
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