Meilensteine der Vermessung
- Vor 1600 v. Chr.: Ein himmlisches Statussymbol (1/19)
Die Himmelsscheibe aus Nebra in Sachsen-Anhalt ist die älteste konkrete Darstellung astronomischer Phänomene. Für die Menschen der Bronzezeit könnte sie als Erinnerungsstütze gedient haben, um den Zeitpunkt von Aussaat und Ernte zu bestimmen und so das bäuerliche Jahr zu strukturieren. Das Instrument aus Bronze und Gold hatte vermutlich eine religiöse Bedeutung und gehörte einem reichen Aristokraten.
- Um 1155 v. Chr.: Eine Karte für den Pharao (2/19)
Eine der ältesten erhaltenen topografischen Karten zeigt den Wadi Hammamat, eine ausgetrocknete Schlucht in der arabischen Wüste. Im Alten Ägypten verlief hier eine wichtige Handelsroute zwischen dem Niltal und dem Roten Meer. Außerdem lagerten in der Schlucht wertvolle Gesteine und Bodenschätze. Pharao Ramses IV. gab die geologische Karte um 1155 v. Chr. in Auftrag.
- 4. Jh. v. Chr.: Traumberuf Schrittzähler (3/19)
Im Zeitalter des Hellenismus erbrachten die Griechen beeindruckende Leistungen zur Vermessung der Erde. Alexander der Große hatte auf seinem Feldzug (334-324 v. Chr.) bislang unbekannte Regionen erreicht und war von ausgebildeten Schrittzählern, sogenannten Bematisten, begleitet worden. Die neuen, genaueren Kenntnisse der Entfernungen wurden in kulturellen und wissenschaftlichen Zentren wie Alexandria verarbeitet.
- 3. Jh. v. Chr.: Geografie wird zur Wissenschaft (4/19)
Eratosthenes war ein antikes Genie: Der griechische Universalgelehrte, der die Bibliothek von Alexandria in der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts v. Chr. leitete, entwarf für seine Weltkarte ein Koordinatennetz, einen Vorläufer des heutigen Gradnetzes. Außerdem bewies er die Kugelgestalt der Erde, die Aristoteles bereits hundert Jahre zuvor vermutet hatte. Die größte Leistung des Eratosthenes aber war die erste wissenschaftliche und erstaunlich exakte Messung des Erdumfangs.
- 3. Jh. n. Chr.: Ein vernetztes Weltreich (5/19)
Mit rund 200.000 Kilometern erreichte das römische Straßennetz im 3. Jahrhundert n. Chr. seine größte Ausdehnung. Die Herrschaft über ein Weltreich stellte die römischen Landvermesser vor Herausforderungen. Sie nutzten dafür Messschnüre, -stäbe und Radumdrehungsmesser – und ein Gerät namens Groma, um rechte Winkel abzustecken. Auf einem Stativ war dafür ein drehbares, rechtwinkliges Kreuz angebracht, von dem an jeder Ecke ein Lot herabhing.
- 375 n. Chr.: Die ganze Welt auf einem Streifen (6/19)
Weder aus der griechischen noch aus der römischen Antike sind Karten erhalten – lediglich die mittelalterliche Kopie einer Karte um 375 n. Chr., die sogenannte Tabula Peutingeriana. Auf 6,80 Metern Länge verzeichnet sie das Straßennetz von England bis nach Indien – nicht maßstabsgetreu, sondern schematisch: Als Wegbeschreibung informierte sie Händler über Entfernungen, Tagesetappen, wichtige Städte und markante Punkte.
- Um 1300: Die Welt der Kirche (7/19)
Wissenschaft und Bildung waren im Mittelalter der katholischen Kirche untergeordnet. Auch die Geografie musste im Einklang mit der christlichen Lehre stehen. Das zeigen die mappae mundi, mittelalterliche Weltkarten wie die Ebstorfer Karte, die um 1300 in einem Benediktinerinnenkloster in der Lüneburger Heide hergestellt wurde. Die Karte ist nicht nach Norden, sondern nach Osten ausgerichtet, wo das Paradies verortet wurde. Im Zentrum der kreisförmig dargestellten Erde steht Jerusalem. Biblische Geschichten sind symbolisch dargestellt.
- Ab 1300: Kompass-Revolution im Seehandel (8/19)
Eine Erfindung erleichterte im Spätmittelalter die Navigation auf See – und revolutionierte den Handel: der trockene Kompass. Um ihn optimal nutzen zu können, entstand auch ein neuer Kartentyp, der Portolano (Italienisch „Liste der Häfen“). Ein dichtes Netz aus sogenannten Rumbenlinien, von Windrosen ausgehende Kompasslinien, diente den Seeleuten als Hilfe, um einen Kurs einzuhalten. Sie konnten jetzt auch über das offene Meer navigieren.
- 1492: Der falsche Erdapfel (9/19)
Mit dem Machtkampf der beiden Seemächte Spanien und Portugal um die schnellsten Handelsrouten war im 15. Jahrhundert auch ein neues Interesse an der Gestalt der Erde verbunden. Das bezeugt der älteste erhaltene Globus, der 1492 unter Anleitung des Nürnbergers Martin Behaim hergestellt wurde. Der Behaim’sche Erdapfel ist allerdings falsch: Er beruht auf einem zu geringen Erdumfang des antiken Gelehrten Klaudios Ptolemaios. Dieser Irrtum ließ Christoph Kolumbus sein Leben lang glauben, er habe den Seeweg nach Indien gefunden.
- 1507: Ein "neuer" Kontinent (10/19)
Im Gegensatz zu Kolumbus erkannte der florentinische Seefahrer Amerigo Vespucci, der um 1500 mehrfach an der Küste Südamerikas segelte, dass es sich dabei nicht um Indien, sondern einen in Europa bislang unbekannten Kontinent handelte. Die erste Weltkarte, auf der dieser Kontinent erscheint und zu Vespuccis Ehren „Amerika“ genannt wird, entstand 1507 in der Werkstatt des Martin Waldseemüller im Breisgau.
- 1569: Von der Kugel zur Karte (11/19)
Wie lässt sich die dreidimensionale Erde auf einer zweidimensionalen Karte darstellen? Diese Schwierigkeit bereitete den Seefahrern lange Probleme – und den Kartografen Kopfzerbrechen. 1569 präsentierte Gerhard Mercator in Duisburg eine Lösung: Auf einen gedachten Zylinder, der die Erde am Äquator berührt, werden alle Punkte der Kugel von der Erdmitte aus übertragen.
- Seit 1569: Ein verzerrtes Weltbild (12/19)
Nach dem Abrollen ergibt sich eine winkeltreue Karte der Erdoberfläche – Größenverhältnisse werden jedoch verzerrt dargestellt: Da die Längengrade zu senkrecht parallel verlaufenden Geraden aufgebogen werden, erscheinen Flächen umso größer, je näher sie an den Polen liegen. Trotzdem beruhen auf der Mercator-Projektion bis heute die meisten Karten.
- Um 1700: Ein mathematischer Trick (13/19)
Im 17. Jahrhundert revolutionierten die Astronomen Jean Picard und Giovanni Domenico Cassini die Landvermessung mit dem Verfahren der Triangulation. Dafür wird eine Fläche in ein Netz von Dreiecken unterteilt. Von den Endpunkten einer Basislinie wird ein leicht erkennbarer dritter Punkt in der Landschaft angepeilt; die Winkel werden mit Messinstrumenten bestimmt. Mathematische Formeln erlauben es dann, weitere Entfernungen zu errechnen. Mit dieser Methode, die bis heute die Grundlage der Landvermessung darstellt, gelang der Familie Cassini von 1668 bis 1744 die erste exakte Vermessung von Frankreich. Der „Sonnenkönig“ Ludwig XIV. war allerdings verärgert: Sein Land erwies sich als kleiner als gedacht.
- Um 1800: Das große Ganze (14/19)
Der Kampf um Macht war – und ist bis heute – der wichtigste Antrieb für Entdeckergeist. Eine seltene Ausnahme war ein junger Naturforscher aus Berlin, der 1799 auf eigene Kosten zu einer fünfjährigen Reise nach Südamerika aufbrach: Alexander von Humboldt. Gemeinsam mit dem französischen Botaniker Aimé Bonpland erforschte er die Prinzipien und Zusammenhänge in der Natur – über Fachgrenzen hinweg. Im Gepäck hatte er dafür über 40 moderne Vermessungsinstrumente.
- 19. Jh.: Die Vermessung eines Kontinents (15/19)
Auf dem Höhepunkt ihrer Macht unternahmen die Engländer ein Jahrhundertprojekt: die Vermessung des indischen Subkontinents. Die „Great Trigonomical Survey“ dauerte von 1802 bis 1871 – sogar die Gipfel des Himalaya wurden per Fernvermessung erfasst. George Everest, der das Projekt über 20 Jahre lang leitete, wurde so zum Namenspaten für den höchsten Berg der Erde.
- 1884: London als Nabel der Welt (16/19)
Das Britische Weltreich drückte auch der weltweiten Navigation seinen Stempel auf. 1884 legte die internationale Meridiankonferenz den Nullmeridian auf Greenwich in London fest – ein bedeutender Fortschritt für den Seehandel: Bis dahin hatte fast jedes europäische Land einen eigenen Nullmeridian, seitdem gibt es eine gemeinsame Bezugsachse für alle Längengrade und Zeitzonen der Erde. Eine Stunde Zeitdifferenz entspricht 15 Längengraden.
- 1911: Ein eiskalter Wettlauf (17/19)
Beim Wettlauf um einen der letzten „weißen Flecken“ auf den Landkarten unterlagen die Briten allerdings: Nur fünf Wochen nach dem Norweger Roald Amundsen erreichte der britische Marineoffizier Robert Scott den geografischen Südpol – auf dem Rückweg mussten er und seine vier Begleiter die Expedition mit ihrem Leben zahlen.
- 1970er Jahre: Der Sprung ins All (18/19)
Wenige Entwicklungen haben das Leben der Menschen so verändert wie der Sprung ins All. Rund 1000 aktive Satelliten umkreisen heute unseren Planeten, überwachen und vermessen ihn bis ins kleinste Detail. Auch aus der Navigation auf See, in der Luftfahrt und im Straßenverkehr sind sie nicht mehr wegzudenken, seit das US-Verteidigungsministerium in den 1970er Jahren das Global Positioning System – kurz GPS – entwickelt hat.
- 2020: Die Zukunft der Navigation (19/19)
Die GPS-Technologie liegt nach wie vor in den Händen des US-Militärs, das es jederzeit abschalten könnte. Auch das russische System Glonass ist ein Erbe des Kalten Krieges, und das chinesische Beidou dient der Kommunistischen Partei. Deshalb hat die Europäische Weltraumagentur ESA gemeinsam mit der Europäischen Union das erste Satelliten-Navigationssystem unter ziviler Kontrolle gestartet: GALILEO. Es ist seit 2016 in Betrieb. Derzeit sind 26 Satelliten im Einsatz. 2020 soll das Positionssystem mit 30 Satelliten voll funktionsfähig sein.