Manche Länder erhielten ihre Prägung unter weiblicher Herrschaft. Englands Königin Elisabeth I. und die russische Kaiserin Katharina die Große schrieben als Regentinnen europäischer Großmächte Geschichte. Und dann gab es jene Frauen, die nicht regierten, aber dennoch historische Spuren hinterließen. Eine von ihnen wurde schon zu Lebzeiten "Königin der Herzen" genannt, Luise von Preußen.
Über politische und militärische Macht verfügte die Königin nicht, gewann aber Einfluss auf Männer, die zu entscheiden hatten, etwa ihren königlichen Gemahl Friedrich Wilhelm III. Die Monarchin bewies Stärke, als dem Monarchen in entscheidenden Momenten die Entschlusskraft fehlte. Sie und nicht er trat dem mächtigsten Kriegsherrn ihrer Zeit entgegen, nahm es mit Napoleon Bonaparte auf, versuchte ihm „mit den Waffen einer Frau“ Paroli zu bieten. Luise und nicht ihr Ehemann hatte das Format, als Symbolfigur in Erinnerung zu bleiben. Wie konnte aus der lieblichen Mecklenburger Prinzessin die „preußische Madonna“ werden? Warum überstrahlte sie König Friedrich Wilhelm III. in fast jeder Hinsicht? Und was machte sie zur Ikone für nachfolgende Generationen?
"Die Liebe der Untertanen" gewinnen
Luise war eine Frohnatur, die als Halbwaise von ihrer klugen wie verständnisvollen Großmutter erzogen wurde. Ihren Beinamen „Jungfer Husch“ und „unsre tolle Luise“ machte sie alle Ehre, verspielt und unbefangen wie sie in den Tag hinein lebte. Als Königin blieb sie ihrem Wesen treu, es war ein Schlüssel zu ihrer Popularität. Die Vermählung Luises mit dem preußischen Thronfolger Friedrich Wilhelm III. 1793 galt als Liebeshochzeit, sie brach mit der Tradition bloßer Zweck-Heiratspolitik, die in vielen Dynastien selbstverständlich war. Bislang galt Preußen als Männerstaat, die Kronprinzessin verlieh der Hohenzollern-Monarchie eine weibliche Note. „Ohne Zwang“ wollte sie „die Liebe der Untertanen“ gewinnen.
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Auf Etikette gab Luise wenig, auch wenn das Leben am preußischen Hof ihr ein Höchstmaß an Anpassung abverlangte: Niemals dürfe sie, "in dieser Umgebung einen Wechsel der Stimmung merken" lassen, schrieb sie einmal. Dennoch brachte sie frischen Wind in die Schlösser von Berlin und Potsdam, vermochte durch ihr Temperament und ihre Entschlussfreudigkeit die Schwächen ihres Gatten auszugleichen. Sie mischte sich hinter den Kulissen in die Politik ein, ermunterte ihren Mann, Reformen anzugehen. Ihre Schönheit und Anmut beeindruckten nicht nur Luises adeliges Umfeld, sondern auch viele Bürger. Sie wirkte natürlich, pflegte offene Umgangsformen, das Volk suchte ihre Nähe, sie ging auf die Menschen zu. In Sachen Mode gab sie den Ton an.
Bürgerliches VorbildIn mehr als 16 Ehejahren zehn Mal schwanger, galt sie im sprichwörtlichen Sinne als Landesmutter - zwei von ihren sieben Kindern wurden später preußische Monarchen. Bei aller Bürgernähe und Offenheit blieb sie stets standesbewusst, der Forderung nach gesellschaftlicher Gleichheit im Sinne der Französischen Revolution konnte sie nichts abgewinnen. Aus Überzeugung verkörperte sie die Rolle der guten Ehefrau und Mutter, wurde auch für bürgerliche Familien zum Vorbild. Und doch bot sie dem mächtigsten Herrscher ihrer Zeit Napoleon die Stirn. Während ihr Mann militärische Neutralität wahren wollte, erschien ihr die Machtprobe mit dem „Ungeheuer“, wie sie den französischen Kaiser nannte, unausweichlich. Preußen unterlag in der vernichtenden Schlacht bei Jena und Auerstedt 1806. Auch Luise hatte die Stärke der preußischen Armee überschätzt – später passte dieses Kapitel nicht mehr in das weibliche Idealbild, das man von ihr zeichnen wollte. Legendär bleibt das Treffen von Tilsit, die preußische Männerwelt wusste keinen anderen Rat als die Königin zu Napoleon zu schicken, um ihm mildere Friedensbedingungen abzuringen.
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Dass Luise mit nur 34 Jahren - in einer Phase der Demütigung Preußens - starb, verlieh ihr den Nimbus einer Märtyrerin. Daraus erwuchs die Legende, das Schicksal ihres Vaterlandes habe ihr das Herz gebrochen. Dichter und Denker schwärmten für sie, aber auch Herolde der aufkeimenden nationalen Bewegung, die in ihr eine Hoffnungsträgerin der preußischen Wiedergeburt und deutschen Einigung sahen. Ihre Kinder trugen weit über ihren Tod hinaus zur Verherrlichung der Mutter bei. Einer ihrer Söhne, Wilhelm I. wird 1871 der erste Kaiser des von Bismarck geeinten Deutschland und sorgt dafür, dass Luise im Gründungsmythos des neuen Reiches einen gebührenden Platz erhält.
Mythos und Wirklichkeit
Die Luise-Legende bot und bietet Raum für Projektionen. Immer wieder sollte sie auch in den kommenden Generationen in Erscheinung treten, in unterschiedlicher Gestalt: Mal als preußische Venus, als Muse oder Top-Model, mal als Amazone, Übermutter oder Märtyrerin und nicht zuletzt als Wegbereiterin der deutschen Nation. Dabei sind Mythos und Wirklichkeit nach zwei Jahrhunderten der Verklärung kaum zu unterscheiden. Mit der Vereinigung Deutschlands hat das Interesse wieder zugenommen, zu erfahren, wer sie wirklich war.
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