Das Untersuchungsgebiet erstreckt sich von Nord nach Süd über 1.500 Kilometer. Mehr als 30 Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen aus Saudi-Arabien und anderen Ländern verschaffen sich einen ersten Überblick über die Biodiversität in der Tiefsee des Roten Meeres, dessen zentraler Graben fast 3000 Meter hinab reicht.
Bizarre Lebenswelten erinnern an Urweltszenarien
Mit zwei Tauchbooten stoßen die Forscher bis in 1000 Meter Tiefe vor. Sie entdecken bizarre Lebenswelten, die an Urweltszenarien aus Anfangszeiten des Lebens erinnern: Mikroorganismen bauen bis zu zwei Meter hohe Türme, sogenannte Schlote. Bakterien weben dichte Matten, die anderen Lebewesen als Nahrung dienen. 1600 Meter unter dem Meeresspiegel erscheinen rätselhafte Seen mit Strandlandschaften und Brandungswellen, Uferzonen und Dünen ähnelnden Regionen vor den Kameras ferngesteuerter Tauchroboter.
Diese Seen – brine pools oder Solebecken genannt – sind mit hochkonzentrierter Salzlösung gefüllt. Sie vermischt sich nicht mit dem normalen Meerwasser, sondern bildet am Grund isolierte Wasserkörper, in denen höheres Leben wegen des fehlenden Sauerstoffs nicht möglich ist. Diese Sole ist so dicht, dass selbst Tauchfahrzeuge nicht in sie eindringen können. Ein Spezialgerät nimmt einige Proben. Es werden unzählige Bakterien gefunden, von denen 90 Prozent völlig unbekannt sind. Sie könnten im Untergrund seit Urzeiten überdauert haben und nun Hinweise auf die Entstehung des Lebens liefern.
Ein neuer Ozean entsteht
Vor – geologisch betrachtet „erst“ – etwa 30 Millionen Jahren brach die Geburtsstunde der Roten Meeres an. Heißes geschmolzenes Material aus dem Erdinneren stieg nach oben und hob die feste afrikanische Landmasse an. In der Folge spaltete sich die Erdkruste auf. Ein tiefer Riss entstand. Meerwasser flutete die sich weitende Rinne. Somit ist das Rote Meer das jüngste Meer auf unserem Planeten. Heute gilt es als Nebenmeer des Indischen Ozeans.
Doch die gewaltigen geologischen Prozesse im Untergrund drücken den afrikanischen Kontinent und die Arabische Halbinsel weiterhin auseinander. Jahr für Jahr legt das Rote Meer an manchen Stellen fast zwei Zentimeter in der Breite zu. Wenn die Spreizungszone im zentralen Tiefseegraben noch einige Millionen Jahre so aktiv bleibt, wird einmal aus dem Nebenmeer ein neuer Ozean herangewachsen sein.
Von Michael Leja