Patagonien! Sagenumwobenes Land. Patagonien, das schönste Ende der Welt. Heimat des Windes. Ein Drittel chilenisch, zwei Drittel argentinisch. Über 900.000 Quadratkilometer groß, der südlichste Teil von Südamerika. Majestätische Anden, großartige Fjorde und endlose Pampa erwarten uns.
Insgesamt verbringen wir auf unseren drei Drehreisen rund neun Wochen in Patagonien. Und auch wenn wir uns vorher in heimischen Outdoor-Läden mit vernünftiger Kleidung ausgerüstet hatten, so richtig vorstellen kann man sich einfach nicht, wie launisch, wechselhaft und infernalisch das Wetter in Patagonien ist.
Mit Steigeisen zur Gletscherzunge
Man muss es spüren: am eigenen Leib. Zum Beispiel auf dem Glaciar Grey, einem atemberaubenden Gletscher im chilenischen Nationalpark Torres del Paine. Wir begleiten eine Gruppe Wissenschaftler aus Aachen und Erlangen – ihr Forschungsziel, die Gletscherzunge. Mit einem kleinen Boot werden wir bis an die blauschimmernde Eiswand gebracht. Ab dann heißt es klettern. Nicht besonders hoch. Aber dafür steil, nass und rutschig. Dann müssen wir Steigeisen anlegen, um auf die Zunge zu gelangen. Man geht, als hätte man die Bodenhaftung verloren. Dabei sollte das Gegenteil der Fall sein, für Geübte. Wir hingegen sind Novizen auf einem Gelände, wie vom anderen Stern. Und es dauert verdammt lange, ehe wir uns an diese Dinger unter den Füßen gewöhnen.
Die Sonne scheint, der Gletscher glitzert. Doch hinten am Horizont ziehen bedrohliche schwarze Wolken auf. Wir haben noch zwei Stunden, sagen unsere chilenischen Begleiter, dann bricht hier die Hölle los. Und sie sollten Recht behalten. Erst kommt ein brachialer Wind aus den Tiefen des patagonischen Inlandeises angefegt, dann beginnt es zu schütten, als hätten sie im Himmel alle Tore geöffnet. Wir drehen gerade ein Interview und können kaum noch Kamera und Stativ halten. Trotz unserer Outdoor-Klamotten macht sich langsam eine unbehagliche Nässe am ganzen Körper breit, bis auf die…
Das Wetter, so sagen die Experten, wird heute nicht mehr besser, wir sollten abbrechen und sehen, dass wir ohne Schaden vom Eis kommen. Eine gute Idee.
Wofür sich die Anstrenung lohnt
Am nächsten Tag warten wir den ganzen Vormittag in unserer kargen Unterkunft am Fuße des Gletschers. Die Aussicht, bescheiden. Vom Drehen nicht zu reden. Gott sei Dank hat unser chilenischer Koch seine gute Laune nicht verloren und schmiert unverdrossen unsere Lunchpakete. Man weiß ja nie. Und tatsächlich gegen Mittag reißt der Himmel plötzlich mit einer Geschwindigkeit auf, die für uns einfach unvorstellbar ist. Bei strahlendem Sonnenschein und stahlblauem Himmel erklimmen wir den Gletscher. Vier Stunden heißt es, ihr habt vier Stunden, dann ist alles wieder vorbei. Und eins kann man wirklich sagen, auf das Wetter in Patagonien ist Verlass. Wie vorhergesagt, war der Sonnenspuk tatsächlich wieder vorbei. Doch die Zeit dazwischen gehört zu den wohl schönsten Augenblicken in Patagonien: abseits jeglicher Zivilisation, mitten auf einem Gletscher, einzig das Rauschen der Gletschermühlen ist zu hören – für diese Momente lohnen sich alle Anstrengungen.
„Können sie eigentlich reiten? Der Ort, an dem wir forschen, ist nur per Pferd zu erreichen.“ Wir denken zunächst an einen Scherz, aber das Paläontologen-Team scherzt nicht, jedenfalls nicht in dieser Angelegenheit. Um die Heidelberger Forscher bei ihren Ausgrabungen im südchilenischen Patagonien zu begleiten, müssen wir tatsächlich die Pferde satteln. Als redaktionsbekannter Pferdefan freue ich mich natürlich auf diese außergewöhnliche „Anreise“ in das abgelegene Forschungscamp. Die Begeisterung bei meinem Kamerateam hält sich schwer in Grenzen.
"Dies wird kein Sonntagsausritt"
Als wir am Morgen mit unseren Wissenschaftlern ins Gelände aufbrechen wollen, sind die Pferde bereits gesattelt. Zwei Gauchos stehen uns zur Seite und helfen auch beim Aufsteigen, was mit unserem schweren Gepäck auf dem Rücken nicht so einfach ist. Dies wird kein Sonntagsausritt! Wir erhalten keine besondere Einweisung, reiten einfach los und folgen den Gauchos, die uns auf dem Weg ins Expeditionscamp begleiten. Stundenlang geht es über schmale Schotterpfade und sumpfige Wiesen, übersät mit Felsbrocken. Wir reiten an einem Fluss entlang und durch hügelige, grüne Landschaft. Außer ein paar Rindern, die in dem weitläufigen Gebiet grasen, begegnen wir niemandem. Die Pferde trotten brav hintereinander her, keines tanzt aus der Reihe – zum Glück. Zwei, dreimal legen wir einen Stopp ein, um zu drehen. Die Gauchos zeigen sich geduldig, sind aber froh, als sie uns nach einem fünfstündigen Ritt endlich im Camp abliefern können. Neben einem alten Holzverschlag sind bereits kleine, bunte Zelte aufgebaut – unsere Unterkünfte für die nächsten fünf Tage!
Dass es auch im patagonischen Sommer empfindlich kalt werden kann, merken wir gleich in der ersten Nacht. Trotz Isomatte und dicker Schlafsäcke schlottern wir vor Kälte in unseren Zelten. Nach einem „Instant-Frühstück“ aus Tüten – unserer „köstlichen“ Nahrung für die nächsten Tage, machen wir uns auf zur ersten Ausgrabungsstätte. Eine gute Stunde brauchen wir für den Aufstieg über einen extrem steilen Hang zu einem Hochplateau am Rande der Anden. Oben angekommen, werden wir mit einem atemberaubenden Blick auf die umliegenden Gipfel belohnt. Eine Gruppe Guanakos betrachtet uns verwundert und sucht schnell das Weite. Über uns kreist der Andenkondor, das Wappentier Patagoniens.
Es geht alles noch schlimmer
Am nächsten Tag regnet es – keine guten Voraussetzungen für unsere Dreharbeiten. In der Hoffnung auf besseres Wetter brechen wir trotzdem schon früh im Camp auf. Unser Ziel: ein Ausgrabungsort, an dem unsere Wissenschaftler bereits vor einem Jahr auf Knochenteile von Dinosauriern stießen. Fast zwei Stunden Fußmarsch mit Kamera-Equipment bergauf und bergab liegen hinter uns, als wir die Stelle endlich erreichen. Am Wetter hat sich nichts geändert: Es ist kalt, nass und grau. Der Hang, an dem wir arbeiten, wird immer mehr zur Schlammpiste – eine Tortur für unser Kamera-Equipment. Unsere Paläontologen hingegen stört das Wetter bei ihrer Ausgrabung nicht im Geringsten – und sie werden für ihre Mühe belohnt: Sie stoßen auf einen riesigen Dino-Knochen. Schlammverschmiert aber überglücklich lassen uns die Forscher wissen: Das ist Patagonien - es geht alles noch schlimmer, es hätte auch schneien können – im Sommer!
Auf das Wetter hatten wir uns ja irgendwie mental eingestellt, aber auf die großen kulturellen Unterschiede waren wir einfach nicht vorbereitet: „Abendessen gibt es um 22 Uhr, wir speisen gemeinsam mit den Gauchos“ - so wurden wir am Tag unserer Ankunft auf der Rinderfarm von Diana Friz, mitten in der argentinischen Pampa, begrüßt. Wollten wir nicht gleich morgen früh um sechs den Viehauftrieb drehen…na, das wird eine kurze Nacht. Das Thermometer zeigt 45 Grad, auch darauf waren wir dann doch nicht vorbereitet. Zuhause, beim Abflug im Januar, lagen die Temperaturen um den Gefrierpunkt. Und dann der Staub, überall Staub und noch mehr Staub, unvorstellbar viel Staub! Und dann die Rinder, die vielen Rinder, die machen noch mehr Staub – und wir mitten drin. Unser Equipment: komplett versandet. Wir: komplett eingestaubt, bis auf die…. hätten wir uns darauf vorbereiten können? Nein!
Premiumware in deutschen Steakhäusern
Die Pampa hat ihre ganz eigenen Gesetze. Die Pampa muss man erfahren, erleben. Entweder man liebt sie, oder man hasst sie. (Wir denken noch drüber nach…) Und die Pampa ist groß, sehr groß. Gut tausend Kilometer sind wir durch diese einsame Landschaft gefahren. Und bei jedem Kilometer wurde uns bewusster, warum bei uns der Spruch gilt: „Der wohnt in der Pampa. “Rinder fühlen sich in der Pampa wohl, sehr wohl. Zu tausenden werden sie hier gezüchtet und landen später als Premiumware in deutschen Steakhäusern.
Auch wir machten uns auf der Rinderfarm voller Vorfreude auf ein schmackhaftes Abendbrot auf zum Grillplatz, allein die Uhrzeit lag uns im Magen. In einer Garage hantierte ein Gaucho neben Ölfässern und Werkzeugen mit einem langen Messer über einem offenen Feuer. Er schnitt bratpfannengroße Fleischstücke aus dem Grillgut heraus, die sodann auf unseren Tellern landeten. Die Portion hätte eigentlich für eine vierköpfige Familie gereicht, aber das war nur der Anfang. Und weil wir die Gäste aus dem fernen Europa- und Fußballweltmeister waren, wurden wir besonders gut bedacht! Als wir uns gegen Mitternacht von unseren Hockern erhoben, waren wir kaum noch in der Lage, zu gehen. Und es lagen noch vier Abende vor uns. Zaghaft fragten wir an, ob wir die nächsten Tage nicht etwas früher essen könnten. Kein Problem erwiderte man uns. Dann beginnen wir eben schon um halb zehn…!