Eine schwer befestigte Grenzanlage zieht sich vor beinahe 2000 Jahren quer durch ganz Europa - der Limes. Kriegsschiffe sichern die Flussgrenzen Rhein und Donau - den "nassen Limes". Palisaden, Wall und Graben, vier Meter hohe Mauern und Kastelle bilden den Landlimes quer durch Germanien, durch das wilde Barbaricum. Ein Bollwerk von Nordbritannien bis zum Schwarzen Meer. Doch wovor fürchtete sich das Imperium Romanum?
Das römische Weltreich reichte von den Wüsten Afrikas bis in den Nordatlantik. Der nördlichste Außenposten Roms war Britannien. Auch dort trennte eine Mauer die Bürger des Imperiums von den Barbaren: der Hadrianswall. Aus einem aufblasbaren Heißluftschiff, das exklusiv und zum ersten Mal für die zweiteilige Fernseh-dokumentation den römischen Grenzwall befuhr, lassen sich die gewaltigen Ausmaße des Limes in Britannien erkennen: 15 Kastelle, in denen eine 12.000 Mann starke Armee stationiert war.
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Barbaren mit Freiheitsdrang
120 Kilometer Mauer, 80 befestigte Tore, 158 Beobachtungstürme und hunderte Kilometer schnurgerader Verbindungsstraßen gehörten zum Verteidigungssystem Hadrianswall. Wie in Germanien lebten auch dort jenseits der Grenze etliche verschiedene Stämme, die ihre Freiheit und Unabhängigkeit liebten. Eine Zentralmacht, wie sie der Kaiser in Rom darstellte, akzeptierten sie nicht. Nur in Kriegszeiten wählten die ungebundenen, selbst bestimmten Clans der Highlands aus ihrer Mitte einen Anführer, einen "Warlord".
Völlig anders dagegen die Welt der Römer in ihren Kastellen. Ordnung, Disziplin und absoluter Gehorsam waren die militärischen Prinzipien, die das Imperium stark machten. Die Ausgrabung des Kastells Vindolanda macht diesen Gegensatz deutlich. Sie zeigt, dass die Römer nicht nur die Guerillataktik der wilden Krieger aus den Highlands fürchteten, sondern auch und vor allem ihre Ideen von Freiheit und Unabhängigkeit. Eine originalgetreue Rekonstruktion eines römischen Kriegsschiffes, basierend auf einem ausgegrabenen Wrack, zeigt, dass die Flussflotte der Römerein hocheffizientes und flexibles Waffensystem war. So konnten sie mit möglichst wenig Schiffen und Soldaten die Flussgrenzen kontrollieren.
Zweitlängstes Bauwerk der Welt
Zur Sicherung der römischen Gebiete östlich des Rheins und nördlich der Donau in den Provinzen Obergermanien und Raetien wurde ein zunächst hölzerner Palisadenwall gegen das Barbaricum errichtet: Der Obergermanisch-Raetische Limes lag auf dem Gebiet der heutigen Bundesländer Rheinland-Pfalz, Hessen, Baden-Württemberg und Bayern. In seinem Endausbau erstreckte er sich über eine Länge von rund 550 Kilometern von Rheinbrohl in Rheinland-Pfalz bis an die Donau südwestlich von Regensburg. Damit ist der Obergermanisch-Raetische Limes nach der Chinesischen Mauer das zweitlängste Bauwerk der Menschheit. Mit seinen etwa 900 Wachttürmen und 120 größeren und kleineren Truppenlagern, die durch ein logistisch ausgefeiltes System miteinander verbunden waren, ist er, wie der britische Abschnitt, Weltkulturerbe der UNESCO.
Von Römerturm 1 am Rhein über die Saalburg,dem wilhelminischen Traum vom Imperium, bis zum Donaudurchbruch gelangen dem Filmteam spektakuläre Aufnahmen mit einem Heißluftschiff. Während sich aus der Luft die strategische Ausrichtung des Limes gut verfolgen lässt, sogar über dicht bewaldeten Gebieten - ein Laserscanner "entlaubt" die Wälder und lässt die Grenzlinie mitten durch Deutschland erkennen - wird es vom Boden aus schwierig. Das größte Bauwerk, das jemals in Europa errichtet wurde, ist in großen Teilen durch Steinraub und intensive Landwirtschaft zerstört.
Romantische Klischees
Doch in den Wäldern liegen die Fundamente der Wachttürme, die Ruinen der Kastelle, die Reste von Wällen und Gräben noch, erhalten wie in einer Zeitkapsel. So wie das Römerkastell Holzhausen im Taunus. Mitten im Wald, abseits aller Straßen, ist es eines der am besten erhaltenen Militärlager, errichtet unter Kaiser Commodus, dem "Bösewicht" aus dem Film "Gladiator". Alle romantischen Klischees von Roms einsamen Außenposten in den dunklen germanischen Wäldern des Barbaricums werden dort befriedigt.
Die Erinnerung an die Bedeutung der Sperranlage verblasste im Laufe der Jahrhunderte. Die Wachttürme zerfielen zu Schutthaufen, ihre Steine wurden wie die Mauern der Kastelle als Baumaterial verwendet, die 80 Kilometer lange schnurgerade mächtige Befestigungsmauer galt als vom Teufel errichtet. Erst vor gut einem Jahrhundert konnte von der damaligen Reichs-Limeskommission der Verlauf des Bollwerks gegen die Barbaren nachgezeichnet werden. Seither wird ausführlich geforscht, rekonstruiert und weitergegraben. So wissen die Wissenschaftler genau, woher Öl, Oliven und Wein der Wachsoldaten an der Grenze zwischen Zivilisation und Wildnis stammten. Und auch woher das römische Geschirr kam, das auf germanischer Seite freigelegt wurde.
Kontrollzone statt Bollwerk
Doch nicht alle Barbaren wollten bloß Handel treiben. In Franken gruben Archäologen zwei Germanensiedlungen aus, die nur zwei Kilometer voneinander entfernt lagen. Das Fundmaterial kann unterschiedlicher nicht sein: Während das eine Dorf von den Römern verplombte Waren geliefert bekam, gingen die zugewanderten Elbgermanen des zweiten Dorfes auf Plünderungszüge jenseits des Limes. Zentnerweise Beute und Waffen aus den römischen Provinzen haben die Archäologen dort sichergestellt. Die neueste wissenschaftliche Erkenntnis: Es gab germanische "Freunde", die sich arrangiert hatten, und zuwandernde aggressive "Feinde" Roms. Der Limes war keine unüberwindliche Festungsanlage und sollte es auch nicht sein. Er war eine Kontrollzone, kein Verteidigungsbollwerk - und konnte so in der beginnenden Völkerwanderung von den Germanen überrannt werden.