Flüsse, Palisaden und Mauern bildeten Roms Bollwerk gegen die Barbaren. Am Limes entstanden aus Militärlagern blühende Siedlungen, geschützt von einer gewaltigen Grenzanlage und den Legionen. Doch wie bedroht waren die Städte? Was geschah, als die Supermacht Schwäche zeigte? Wie begegnete sie der "Gefahr am Limes"?
Ausgeklügeltes Kommunikationssystem
Fragen, die heute gar nicht einfach zu beantworten sind, da das einst mächtigste Bauwerk Europas an vielen Stellen oberirdisch unsichtbar geworden ist. Mit Hightech gehen Limes-Forscher auf die Suche. Ein Infrarot-Laserscanner unter einem Helikopter soll das Bodenprofil am Raetischen Limes zentimetergenau abtasten. Der Trick: Der Scanner "sieht" durch Bäume, Büsche, Feldfrüchte hindurch auf den Boden. So können große Flächen nach Auffälligkeiten hin untersucht werden. Die Hoffnung der Forscher wird erfüllt: Das neu entwickelte Gerät entdeckt den unsichtbaren Limes sogar tief im Wald. Auf dem Monitor werden nicht nur Wall und Graben enthüllt, sondern sogar die Pfostenlöcher der einzelnen Wachttürme.
Ebenso faszinierend ist die Arbeit der sogenannten Geodäten. Diese Vermessungs-Fachleute erkunden den Verlauf des Limes in Baden-Württemberg. Nach tausenden Messungen liefern sie ein beinahe unglaubliches Ergebnis: Die Grenzlinie hat auf einer Strecke von 50 Kilometern nur eine Abweichung von 90 Zentimetern. Sollte diese Präzisionsarbeit der antiken Supermacht die Barbaren beeindrucken? Ob diese sich davon abschrecken ließen, ist allerdings nur eine Vermutung. Doch auf Psychologie allein verließen sich die Römer nicht. Das ausgeklügelte Kommunikationssystem des Limes setzte eine der perfektesten Militärmaschinerien der Weltgeschichte in Gang. Ihre schnelle Reiterei konnte herannahende Eindringlinge schon im Vorfeld zur Schlacht stellen.
Magnetische Bakterien
Die Kavallerie des Kaisers war unter anderem auch im Kastell von Ruffenhofen in Franken stationiert. Das haben die Forscher herausgefunden, obwohl die Anlage heute in der Landschaft nicht mehr sichtbar ist und dort bisher auch nicht gegraben wurde. Mit den Mitteln der Geophysik wurde die Anlage wieder sichtbar gemacht, ohne zu Hacke und Spaten zu greifen. Radarwellen, elektrische Ströme und das Erdmagnetfeld verrieten dem Geophysiker Jörg Fassbinder den Grundriss des Kastells von Ruffenhofen. Die Anwesenheit der römischen Kavallerie vor 1800 Jahren wurde durch auffällig strahlende magnetische Bakterien verraten. Sie gedeihen im Pferdemist und leuchten im Magnetbild der Geophysiker. In Kombination mit Luftaufnahmen aus dem Heißluftschiff ergeben die Magnetbilder eine faszinierende Möglichkeit zur Lokalisierung und Bestimmung der römischen Befestigungsanlagen.
Heute weiß man: Ende des 2. Jahrhunderts schien sich in den Wäldern Germaniens die alte Ordnung der Stämme aufzulösen. Das Klima hatte sich geändert, es wurde deutlich kälter und trockener. Die Ernteerträge gingen zurück, die Bäume wuchsen langsamer nach, die Ressourcen wurden immer knapper. Die Stämme im Barbaricum drängten gen Süden. Das reiche Imperium lockte. Mit jeder Missernte nahm der Druck auf die Grenze zu. Immer größere Invasionswellen brandeten gegen den Limes, so auch gegen das Kastell Weißenburg in Mittelfranken.
Reicher Tempelschatz
Ein Zufallsfund lieferte 1979 den Beweis für die Angst vor der Bedrohung. In unmittelbarer Nähe des Kastells wollte ein Mathematiklehrer ein Spargelbeet anlegen. Beim Umgraben stieß er auf Metall: Votivgaben aus reinem Silber. Und dann, in einem Kessel verborgen: kostbare Statuetten, Götterfiguren aus purem Silber, ein reicher Tempelschatz, von den Tempeldienern in Panik vergraben. Der Fund wirft ein Schlaglicht auf die Situation am Limes im Jahr 233 nach Christus. Aus gelegentlichen Raubzügen wurde der Beginn einer Völkerwanderung, die zu einer ernsthaften Bedrohung des Imperiums wurde.
Der Landlimes endet im bayerischenEiningan der Donau. In den Markomannen-Kriegen wurde das Kastell zerstört und der "nasse" Limes überrannt. Die ganze Provinz Raetien entglitt zeitweise der römischen Kontrolle. Der Schutz der Handelsschiffe hatte nun höchste Priorität. Die Donau war eine Schlagader des antiken Verkehrs, genügend Nachschub für die Grenztruppen kriegsentscheidend. Doch Gefahr drohte nicht nur von den Markomannen. Auch die Natur bildete tückische Hindernisse für die römische Marine, beispielsweise der Donaudurchbruch bei Weltenburg, eine spektakuläre Ur-Landschaft mit wilden Strömungen und Strudeln.
Dolce vita am Limes
Doch an der Donau wartete auch Verlockendes auf die römischen Ruderer-Soldaten: südliches Dolce Vita inCarnuntum- eine der am besten erforschten römischen Städte am Limes. Die Archäologen fanden Spuren aus fünf Jahrhunderten. Schon im Jahre 6 nach Christus hatte der spätere Kaiser Tiberius dort sein Winterlager aufgeschlagen, um gegen die Markomannen in die Schlacht zu ziehen. Die reiche Grenzstadt sollte über Jahrhunderte als Legionslager eine zentrale Rolle im Abwehrkampf gegen die Barbaren spielen. Ihr Ende ist unblutig. Den Herrschern aus Rom ging schlichtweg das Geld aus.
Antiker Vorläufer der EU?
Das Problem der Finanzierung der Limes-Truppen führt in den Kosovo. Dort wurden 1999 während des Krieges Tausende Aufklärungsphotos gemacht. Diese Bilder interessieren die Limes-Forscher, die sich darauf Hinweise auf antike Rohstoffquellen erhoffen. Im bergigen Grenzland zu Serbien werden sie fündig und entdecken antike Goldbergwerke. Am Fuße der Berge sind römische Grundmauern erhalten - sie gehören zu Ulpiana, eine Römerstadt, die auch für die Versorgung der Soldaten am Limes verantwortlich war. Kam von dort der Gold-Nachschub für den Sold der Limes-Legionäre? Und was passierte, als er ausblieb?
Noch lange sind nicht alle Fragen um das größte Bauwerk der Antike gelöst. Der wahre Schatz liegt in der Erkenntnis, die zu neuen Beurteilungen der Funktion und Datierung des Limes führt. Zur Diskussion steht der "Glücksfall" eines frühen völkerübergreifenden, vereinten Europas. Der antike Vorläufer der Europäischen Union mit einem Recht, einer Währung, einem politischen System und einer Sprache.