Das Paradies für Astronomen liegt mitten in der Atacama, der trockensten Wüste der Welt: Die Europäische Südsternwarte (ESO) hat auf einem Gebirgsplateau eine der größten und leistungsfähigsten Teleskopanlagen der Welt errichtet. Der Standort ist ideal. Von hier aus haben die Wissenschaftler fast immer einen freien Blick in die Weiten des Universums.
Für die Astronomen bietet die lebensfeindliche Atacamawüste im Norden Chiles perfekte Bedingungen. Aufgrund eines speziellen Klimas – sowohl die Küste im Westen als auch die Anden im Osten bilden eine Wolkenbarriere – kommt es fast nie zu Wolkenbildung, der Himmel bleibt stets klar. Die Milchstraße lässt sich als leuchtendes Band schon mit bloßem Auge erkennen. Außerdem gibt es keine Siedlungen in der Nähe, die nachts mit Kunstlicht den Blick ins All stören könnten. So wurde die Kuppe des über 2600 Meter hohen Berges Paranal abgesprengt, um das Very Large Telescope (VLT) auf dem entstandenen Plateau zu errichten. 500 Millionen Euro investierte die Europäische Union in das Superteleskop.
Gigantische Auflösung
In jedem der vier domartigen Gebäude ist ein 400 Tonnen schwerer Spiegel aufgehängt. Die empfindliche Konstruktion lässt sich geräuschlos und vibrationsfrei ausrichten. Ihr Herzstück, der Spiegel, misst 8,20 Meter im Durchmesser und besitzt eine Auflösung von 50 Millibogensekunden. Damit könnte man eine Zwei-Euro-Münze aus einer Entfernung von 100 Kilometern erkennen und auf der Internationalen Raumstation die Beschriftung einer DVD lesen.
Doch die Wissenschaftler haben eine Methode entwickelt, zwei oder mehr Teleskope so zusammenzuschalten, dass sie gemeinsam so viel leisten wie ein 200 Meter großes Riesenteleskop: zwei Millibogensekunden. Dabei werden mit Hilfe des Interferometers die störenden Effekte der Erdatmosphäre aus dem Bild herausgerechnet. Mit dieser Auflösung lassen sich – theoretisch – die zwei Lichtkegel der Scheinwerfer eines Autos auf dem Mond unterscheiden. Praktisch ist es allerdings nicht möglich, mit dem VLT hochaufgelöste Bilder von der Mondoberfläche zu machen.
Monster unter Beobachtung
Mit dem außergewöhnlichen Hightech-Teleskop sind nicht nur viele faszinierende Bilder von Sonnensystemen, Galaxien, Sternhaufen und Sternnebeln entstanden. Es half den Forschern in den letzten Jahren auch viele Rätsel im Universum zu entschlüsseln, zum Beispiel das der Schwarzen Löcher. Dank der Beobachtungen in der Atacama wissen wir heute, dass sie viel häufiger sind als noch vor Kurzem gedacht. Ein Schwarzes Loch entsteht, wenn ein massereicher Stern stirbt: Er explodiert in einer Supernova und schießt Materie ins All. Dann stürzt er in sich zusammen und saugt alles in sich hinein, was in seine Nähe gerät. Sogar das Schwarze Loch im Zentrum unserer Galaxie, der Milchstraße, konnten die Forscher mit dem gigantischen Fernrohr in der chilenischen Wüste als Erste nachweisen.
Durch das Zusammenschalten der Teleskope können die Forscher noch tiefer ins All schauen und noch mehr Details beobachten. Sie haben das Schwarze Loch in unserer Milchstraße ins Visier genommen und dabei 2011 eine spektakuläre Entdeckung gemacht: Eine gigantische Gaswolke bewegt sich zurzeit genau auf das Zentrum der Milchstraße zu. Mit dem VLT haben die Forscher in den nächsten Jahren die einmalige Chance, genau zu beobachten, wie das Schwarze Loch Materie verschlingt. Sie erwarten ein kosmisches Schauspiel: Im Bann des Schwarzen Lochs wird die Wolke vermutlich auseinandergerissen. Was genau passieren wird, steht aber im wahrsten Sinn noch in den Sternen. Klar ist: Die nächsten Jahre in der Atacamawüste werden für die Forscher besonders aufregend.