Statement von Stefan Brauburger, Leiter der ZDF-Redaktion Zeitgeschichte
Ein 90-minütiger Film über die deutsche Demokratiegeschichte zur besten Sendezeit? Dafür gibt es Gründe. Da sind zum einen die Gedenktage 2023: Der Volksaufstand in der DDR vor 70 Jahren, am 17. Juni 1953, und die Deutsche Revolution von 1848, die sich zum 175. Mal jährt. Doch teilen beide Daten ein ähnliches Schicksal, sie haben keineswegs den Stellenwert in der öffentlichen Wahrnehmung, den sie verdienen. Die Ereignisse stehen in einer Reihe weiterer wichtiger historischer Wendepunkte, etwa der Republik-Gründungen von Weimar (1918/19) und Bonn (1948/49). Doch wie ist es um die Erinnerung daran bestellt? Allenfalls der Tag des Mauerfalls '89 oder der deutschen Einheit '90 sind als Wegmarken unserer Demokratiegeschichte noch einigermaßen fest im öffentlichen Bewusstsein verankert. Genügt das?
Gerade in unseren Tagen verdient das Thema Demokratie eine besondere Aufmerksamkeit. Unsere Gesellschaft ist gegenwärtig herausgefordert wie selten zuvor seit Bestehen der Bundesrepublik. Der Begriff "Zeitenwende" markiert längst mehr als nur außen- und militärpolitische Dimensionen. Selten waren Staat und Bürger einer solchen Anhäufung von Krisen-Faktoren ausgesetzt. Ob Frieden, Sicherheit, Wohlstand, Klima, Ressourcen, Gesundheit – alles scheint auf dem Spiel zu stehen. Die Demokratie gerät in die Defensive, muss ihre Handlungsfähigkeit unter Beweis stellen. Autokratische Systeme sind weltweit auf dem Vormarsch, werden immer selbstbewusster, fordern freiheitliche Systeme heraus.
Ein Blick in die Geschichte hilft da vielleicht zu verstehen, was es bedeutet, demokratische Verhältnisse zu erkämpfen, sie zu etablieren, zu gestalten und zu erhalten, dafür soll der Film historische Beispiele liefern. Es geht um Demokratie und Freiheit, die es zu verteidigen gilt, um Mut und Initiative von Bürgern, um Willensbildung, um das Erkennen von demokratischen Handlungsspielräumen und Fragen des Grundkonsenses. Es geht aber auch um die Kultur der Auseinandersetzung und des Kompromisses, um Toleranz und offenen Diskurs, anstelle von Fanatismus oder Diktatur. Dafür bietet die Geschichte reichlich Anschauungsmaterial.