Wende im Tank

Frage: Wann wird es den optimalen synthetischen Kraftstoff auf dem Markt geben?

Prof. Manfred Aigner, Direktor Institut für Verbrennungstechnik, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)

Frage: Die Herstellung synthetischer Kraftstoffe ist noch sehr teuer: Haben sie gegen erdölbasierten Sprit beim Preis überhaupt eine Chance?

Prof. Manfred Aigner, Direktor Institut für Verbrennungstechnik, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)

Frage: Kritiker sagen: Der E-Mobilität gehört die Zukunft, nicht dem Verbrennungsmotor. Wie sehen Sie das?

Interview mit Prof. Manfred Aigner, Direktor Institut für Verbrennungstechnik, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)

Frage: Verbrennungsmotoren produzieren aber Ruß, also Feinstaub, und auch Stickoxide. Ist das ein lösbares Problem?

Interview mit Prof. Manfred Aigner, Direktor Institut für Verbrennungstechnik, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)

Frage: Ihr Ziel sind also null Schadstoffe. Wie ist das zu schaffen?

Interview mit Prof. Manfred Aigner, Direktor Institut für Verbrennungstechnik, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)

Frage: Klimawandel, Diesel-Krise. Die Diskussionen über solche Themen haben zugenommen. Befeuert das auch die Entwicklung der synthetischen Kraftstoffe? Immerhin: Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie hat 2017 für die Forschung mit strombasierten Kraftstoffen 130 Millionen Euro bereitgestellt.

Interview mit Prof. Manfred Aigner, Direktor Institut für Verbrennungstechnik, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)

Synthetische Kraftstoffe werden künstlich hergestellt, also in ihrer Zusammensetzung "designt". Der Herstellungsprozess ist bei allen Varianten ähnlich: Die Moleküle des Ausgangsmaterials werden aufgespalten, wodurch synthetisches Gas entsteht. Im nächsten Schritt werden Spaltprodukte dieses Gases neu sortiert und in einen flüssigen Rohstoff umgewandelt, der vor allem aus kettenförmigem Kohlenwasserstoff besteht. Aus diesem flüssigen Rohstoff können - wie bei Rohöl - verschiedene Produkte hergestellt werden: Zum Beispiel Kerosin oder Diesel.

Die notwendigen Moleküle können zum Beispiel aus Pflanzen, Erdgas oder auch einfach aus Wasser und Kohlendioxid (CO2) hergestellt werden. Für das Endprodukt ist die Herkunft grundsätzlich egal - sie hat keinen Einfluss auf die Eigenschaften des Kraftstoffes. Forscher suchen den optimalen Kraftstoff für die verschiedenen Anwendungsbereiche. Dieser soll sozusagen für alle Produktionswege künftig der baugleiche "gemeinsame Nenner" sein, auf den dann auch das Motordesign abgestimmt werden kann.

Synthetische Kraftstoffe verbrennen deutlich sauberer als rohöl-basierte. Deshalb erzeugen sie auch weniger Schadstoffe wie Feinstaub, Stickoxide (NOX) und Kohlendioxid (CO2). Daneben gelten sie als schonend für Filter und Motoren. Sie sind lange lagerfähig und kälteunempfindlich.

Strittig ist, welche Rolle synthetische Kraftstoffe bei der Energiewende auf der Straße spielen werden. Vor allem für Flugzeuge, leistungsfähige Großfahrzeuge oder Schiffe sind sie interessant, weil elektrische Antriebe für diese auf absehbare Zeit nicht vorstellbar sind. Einige Forscher gehen davon aus, dass sie sich auch im Pkw-Bereich neben der Elektromobilität als ökologische und bezahlbare Alternative durchsetzen werden.

Basis dieses synthetischen Kraftstoffs ist hydriertes Pflanzenöl oder -fett. Es wird mit einer katalytischen Reaktion unter Zugabe von Wasserstoff in Kohlenwasserstoffe umgewandelt. Neben GtL (Gas to Liquid) gehört HVO zu den synthetischen Kraftstoffen, die es bereits auf dem Markt gibt. Größter Hersteller ist der finnische Konzern Neste, der HVO unter anderem in Rotterdam produziert. Auf dem deutschen Markt ist es unter verschiedenen Namen zu haben, auch an einigen Tankstellen für Autos und für Schiffe. Im Flugverkehr wird HVO in begrenztem Umfang Kerosin beigemischt.

Ein gängiger Begriff für den Kraftstoff ist auch HEFA. Er steht für Hydro-processed esters and fatty acids und weist damit darauf hin, dass auch die Herstellung aus tierischen Fetten und pflanzlichen Abfallstoffen mit dem Verfahren möglich ist.

Oft allerdings wurde und wird dafür Palmöl verwendet, was bei Naturschützern auf Kritik stößt. Durch die massenhafte Produktion - vor allem auch für die Nahrungsmittelbranche - seien bereits tausende Hektar Regenwald abgeholzt worden. Forscher wie Prof. Manfred Aigner vom deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) fordern deshalb zuverlässige Institutionen, die Nachhaltigkeitszertifikate ausstellen.

Ausgangsstoff für diesen synthetischen Kraftstoff ist Erdgas. Das angehängte "to liquid" weist auf ein bestimmtes Verfahren zur Verflüssigung hin, die schon vor fast hundert Jahren entwickelte Fischer-Tropsch-Synthese. GtL wird bereits in relativ großen Mengen produziert, vor allem in Katar von Shell. Der Konzern mischt es einigen Premium-Produkten bei. Verwendet wird es aber auch in Reinform für Schiffe und Autos und als Beimischung für Flugzeuge. GtL ist billiger als HVO. Weil es aus dem nicht erneuerbaren Erdgas hergestellt wird, hat der Kraftstoff aber eine deutlich schlechtere Kohlendioxid-Bilanz.

Aber auch wenn die notwendigen Moleküle aus Erdgas gewonnen werden: GtL ist ein synthetischer Kraftstoff und darf deshalb nicht mit LNG, also verflüssigtem Erdgas verwechselt werden.

Für die Produktion werden die notwendigen Moleküle aus Wasser und Kohlendioxid (CO2) geholt und mit Ökostrom synthetisiert. Das Ergebnis ist wie bei den anderen Verfahren ein synthetischer Rohstoff, der die gleichen Eigenschaften hat wie Rohöl, allerdings deutlich sauberer verbrennt. Die Technik dazu funktioniert bereits, ist aber noch nicht marktreif. Die deutsche Firma Sunfire will bis 2021 mit einer Produktionsanlage in Norwegen an den Start gehen und im ersten Schritt zehn Millionen Liter im Jahr, später deutlich mehr produzieren.

Kritiker wenden ein, dass die Herstellung teuer ist und sehr viel Strom frisst. Die Firma Sunfire geht dagegen davon aus, dass die Effizienz bei der Herstellung noch deutlich verbessert werden kann. Sie will außerdem nur dort produzieren, wo Ökostrom in ausreichender Menge vorhanden ist, oder es sogar Überkapazitäten gibt. Im Moment kauft Sunfire das CO2 ein. Es stammt zum Beispiel aus Kraftwerken. Gearbeitet wird aber bereits an einer direkten Entnahme aus der Luft, was zu einem geschlossenen, klimaneutralen Kreislauf führen würde.

2018 ist das deutsche Startup Ineratec mit dem Gründerpreis ausgezeichnet worden. Die Firma bietet Produktionsanlagen für PtL und PtG (Power to Gas) in Containergröße an. Das macht die Nutzung der Technologie im Kleinen einfacher - zum Beispiel da, wo CO2 entsteht oder wo Stromüberschüsse anfallen.

BtL wird wie HVO aus pflanzlichen Ausgangsmaterialien hergestellt, allerdings mit einem etwas anderen Verfahren. Die Verflüssigung geschieht mit Hilfe der Fischer-Tropsch-Synthese – genauso wie bei GtL und PtL. Der Kraftstoff kann sowohl aus Abfallstoffen wie Stroh oder Holz als auch aus Energiepflanzen wie Rapsöl hergestellt werden. Experimentiert wird auch damit, besonders energiereiche Algen dafür zu züchten.

An BtL wird viel geforscht, unter anderem auch am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Versuche, BtL im großen Stil auf den Markt zu bringen, sind bisher gescheitert. 2011 ging die deutsche Firma Choren Industries in Insolvenz. Wissenschaftler gehen davon aus, dass das Interesse an BtL nun aber wieder steigen könnte.

Sowohl BtL als auch HVO können zu den Biokraftstoffen gezählt werden, auch wenn die Hersteller ihre Produkte ungern mit nicht synthetischen Kraftstoffen wie Biodiesel in einen Topf werfen lassen wollen.

Synthetische Kraftstoffe können zur Reduktion von Treibhausgasen, die für den Klimawandel verantwortlich sind, beitragen. Nach Angaben der Hersteller von HVO und GtL wird bei Verwendung der Kraftstoffe über 20 Prozent weniger Kohlendioxid (CO2) ausgestoßen. Weit wichtiger als die Frage nach dem direkten Ausstoß ist aber die Frage nach der Herstellung. Ist diese klimaneutral oder nicht?

Das Problem bei CO2 ist: immer mehr davon gerät in die Atmosphäre. Diese Anreicherung entsteht dadurch, dass fossile Rohstoffe wie Öl oder Gas aus der Erde gefördert und verbrannt werden. Also: CO2, das bisher gebunden war, wird freigesetzt. Bei der Verwendung von Pflanzen als Quelle ist das nicht der Fall. Sie entnehmen vorhandenes CO2 aus der Luft. Wird dieses freigesetzt, dann gelangt es nur dahin zurück, wo es hergekommen ist.

Das gilt auch für PtL. Das für die Herstellung nötige CO2 soll künftig aus der Luft herausgefiltert werden und bei der Verbrennung wieder dorthin zurückgelangen. In dem Fall wäre es also nicht weiter wichtig, wieviel CO2 das Auto bei der Verbrennung am Ende freisetzt. Man hätte einen klimaneutralen Kreislauf geschaffen – vorausgesetzt natürlich, dass auch der bei der Herstellung verwendete Strom aus erneuerbaren Quellen kommt.

Frage: Das Verfahren mit dem Sie den synthetischen Rohstoff „e-crude“ herstellen, nennt sich "Power to Liquid" (PtL). Wie funktioniert das?

Nils Aldag, Kaufmännischer Geschäftsführer Sunfire GmbH

Nils Aldag, Kaufmännischer Geschäftsführer Sunfire GmbH

Frage: In Deutschland liegt der Anteil der erneuerbaren Energie bei etwa einem Drittel. Gibt es für PtL in großen Mengen überhaupt genügend Öko-Strom?

Nils Aldag, Kaufmännischer Geschäftsführer Sunfire GmbH

Frage: Kritiker sagen, dass die Herstellung von PtL jedenfalls im Moment zu teuer und aufwändig sei. Dagegen wäre es sinnvoller, die E-Mobilität voranzubringen. Welche Meinung haben Sie dazu?

Nils Aldag, Kaufmännischer Geschäftsführer Sunfire GmbH

Frage: Sie wollen zunächst in Norwegen PtL zur Marktreife bringen. Wie sieht Ihr Plan aus?

Nils Aldag, Kaufmännischer Geschäftsführer Sunfire GmbH

von Mark Hugo, ZDF-Umweltredaktion

Noch fristet Synfuel das Dasein eines Nischenprodukts. Taxiunternehmer Norbert Schöpfle ist einer der wenigen, die ihn regelmäßig in den Tank füllen. Im Baden-Württembergischen Öhringen hat er eine der ganz wenigen Tankstellen gefunden, an der es synthetischen Diesel gibt. Schöpfles Motivation: Er will etwas für die Umwelt tun. Nebenbei sieht er weitere Vorteile: Weil der Sprit viel sauberer verbrennt, verschmutzen die Filter kaum noch. Im Winter startet der Motor auch bei dicken Minusgraden auf Anhieb. Und Schöpfle kann den Synfuel ohne Probleme auch mal mit normalem Diesel mischen.

Für ihn eigentlich zu schön, um wahr zu sein. Wenn da nicht der Preis wäre: Mindestens 30 Cent kostet der Liter mehr als Diesel. Noch ist die Herstellung eben aufwändig und teuer. Und der Markt ist klein. „Das tut schon weh. Vielleicht kommt es irgendwann zu einem Punkt, dass wir sagen: Wir verkraften das nicht mehr“, so Schöpfle. Er hofft bis dahin auch auf die Politik, denn der Fiskus verlangt Mineralölsteuer, auch wenn der Synfuel in Öhringen gar nicht aus Öl, sondern auf Basis von pflanzlichen Fetten hergestellt wird.

HVO (Hydrogenated Vegetable Oil) wird dieser synthetische Sprit genannt. Sein Anteil am deutschen Kraftstoffmarkt wird für 2017 auf 0,3 Prozent geschätzt. Etwas höher dürfte der von GTL (Gas to Liquid sein). Der wesentliche Unterschied von GTL zu HVO: Statt aus Pflanzen kommen die notwendigen Moleküle aus Erdgas, das meist in Katar gefördert und dort auch verarbeitet wird.

Aus Sicht der Forscher ist die Quelle aber erst einmal egal. „Für die technische Performance spielt das keine Rolle“, erklärt Prof. Aigner. „Wir zerlegen die Quelle in ganz kleine Moleküle. Wir geben Energie dazu und bauen daraus den Kraftstoff. Und der weiß später nicht mehr, wo er herkam.“ Aigners Ziel ist nichts weniger als der optimale Kraftstoff der Zukunft. Auf diesen soll im nächsten Schritt der Motor optimal abgestimmt werden. „Dann kommen wir zu null Schadstoffen“, ist sich der Wissenschaftler sicher.

Allerdings: So ganz egal ist die Quelle am Ende natürlich doch nicht. Umweltschützer kritisieren, dass der massenhafte Anbau von Pflanzen Platz für Nahrungsmittel wegnimmt. Wird auch noch Palmöl verwendet, fällt die Kritik noch schärfer aus, weil dafür etwa in Indonesien hektarweise Urwald gerodet wird. Ideen wie die Zucht ölhaltiger Algen gibt es zwar, sie stecken aber noch in den Kinderschuhen. Und auch GTL liefert Grund für Kritik: Erdgas ist ein Rohstoff, der aus dem Boden kommt. Bei der Verbrennung wird die Atmosphäre deshalb mit dem Treibhausgas CO2 angereichert.

Forscher und Industrie suchen deshalb nach neuen, klimaneutralen Wegen. Die deutsche Firma Sunfire stellt in ihrer Dresdner Versuchsanlage Synfuel allein aus Wasser und CO2 her. Verarbeitet wird das Ganze mit Ökostrom. Das Verfahren wird PtL (Power to Liquid) genannt und funktioniert bereits so gut, dass die Firma bis 2021 in Norwegen mit einer Produktionsanlage an den Start gehen will. Das erste Ziel: Zehn Millionen Liter pro Jahr, später nochmal deutlich mehr.

Bisher hakt es noch an der Effizienz. Die soll bald aber besser werden, sagt Geschäftsführer Nils Aldag. Und: „Wir sind heute an einem Punkt angelangt, an dem Energie aus Wind und Sonne günstiger ist als Energie aus fossilen Energieträgern“. Preise, die synthetischen Kraftstoff interessant machen werden, seien deshalb absolut vorstellbar.

Ist der Verbrennungsmotor damit gerettet? Kritiker warnen, Synfuels könnten bei Preis und Effizienz niemals mit E-Autos konkurrieren. Forscher wie Prof. Aigner vom Deutschen Zentrum für Luft-Und Raumfahrt (DLR) sehen das ganz anders. Er ist überzeugt, dass es schon bald ein Nebeneinander auf der Straße geben könnte. Erdöl werde teurer werden, die Herstellung von Synfuels dank neuer Technik immer günstiger. „Heute stellen wir synthetische Kraftstoffe in Tonnen her. Die Erdölprodukte stellen wir in Millionen Tonnen her. Da gibt es einen Preisvorteil“, so Aigner. „Und darin werden wir aufholen.“

Ein Film von Mark Hugo
Kamera: Ralph Zeilinger / Joachim Giel
Schnitt: Christian Herold
Redaktion: Martin Ordolff
Leitung der Sendung: Volker Angres