Schäfer in Not - Ein Traditionsberuf vor dem Ende

Im Jahr 2010 gab es in Deutschland 1136 Schäferei-Haupterwerbsbetriebe mit insgesamt 725 000 Mutterschafen.
Im Jahr 2016 waren es nur noch 989 Haupterwerbsbetriebe mit insgesamt 622 000 Mutterschafen.
( gezählt wurden Betriebe mit mindestens 350 Mutterschafen)
Diese 989 Betriebe stellen allerdings nur 5% aller Schafhalter dar.

Bewirtschaftet wurde im Jahr 2010 eine Fläche von 358 000 Hektar.
Im Jahr 2016 waren es nur noch 297 000 Hektar.

Die meisten Schäfereien und Schafe gibt es in Bayern. (November 2018: rund 264 000 Tiere) Gefolgt von Baden-Würtemberg. (November 2018: rund 220 000 Tiere).
Die durchschnittliche Größe schafhaltender Betriebe in Deutschland lag zum Erhebungsstichtag am 03.11.2018 bei rund 170 Tieren.

Die gewerblichen Schlachtungen haben 2018 gegenüber 2017 um 10,5 % auf 1,15 Millionen Tiere zugenommen und die Fleischerzeugung ist um 11,9 % auf 23 300 t gestiegen. Möglicherweise hat die Futterknappheit infolge des heißen Sommers die Schafhalter veranlasst, weit mehr Tiere als üblich zu schlachten.

Quelle: Bundesverband Berufsschäfer

Bildquelle: ZDF/Hartmut Idzko

Schafe haben im Allgemeinen nicht den besten Ruf. „Du blödes Schaf“, oder „ Du bist ja belämmert“ , „Er ist lammfromm“ - so schimpft der Volksmund über den wichtigsten Woll-Lieferanten. Und im großen zoologischen Standardwerk des 19.Jahrhunderts, in „Brehms Tierleben“, heißt es gar über das Schaf: „Seine Furchtsamkeit ist lächerlich, seine Feigheit erbärmlich. Jedes unbekannte Geräusch macht die Herde stutzig, Blitz, Donner, Sturm und Unwetter überhaupt bringen sie gänzlich aus der Fassung“.

Bildquelle: ZDF/Hartmut Idzko

Doch Schafe sind keineswegs blöd und Lämmer weder belämmert noch lammfromm. Schafe sind sehr aufgeschlossene, gesellige und kontaktfreudige Tiere. Sie sind sehr sozial, zeigen Emotionen und besitzen eine eigenständige Persönlichkeit. Sie gehen ihren eigenen Interessen nach, ordnen sich aber jederzeit dem Schutz der Herde und ihrer Mitglieder unter. Zudem sind Schafe durchaus intelligente Tiere. Studien der Universität Cambridge* belegen, dass Schafe in der Lage sind, differenziert zu lernen und sich Details gut merken können. Selbst Gesichter von Menschen können sie über einen Zeitraum von zwei Jahren wiedererkennen. Ihre Gehirne haben fast die gleiche Größe wie die von Rhesusaffen und besitzen die gleichen komplexen Strukturen. Sie können Farben und Formen voneinander unterscheiden und finden auch nach längerer Abwesenheit wieder zu ihrer Herde zurück. Die britische Studie belegt zudem, dass die Tiere in der Lage sind, Fehler zu korrigieren und aus ihnen zu lernen.

Quelle: https://www.pdn.cam.ac.uk/directory/jenny-morton

Das Schaf gilt als unser ältestes Haustier, vergangenes Jahr erst wurde es zum Haustier des Jahres gewählt. Es ist auch das erste künstlich geschaffene Lebewesen. Dolly, das Klonschaf kam 1966 zur Welt und wurde 7 Jahre alt. Die Schäferei gehört zu den ältesten Gewerben der Welt. Typisch ist dabei, dass der Schäfer seine Herde ‚nomadisierend‘ durch offenes, allgemein zugängliches Land führt. Es gibt aber auch Schäfereien, bei denen die Tiere nur auf einer eingezäunten Koppel gehalten werden. Bei einer Erhebung Anfang November 2018 wurden in Deutschland rund 1,6 Millionen Schafe gezählt. Diese Zahl bezieht sich auf Mutterschafe und Böcke. Lämmer wurden nicht mitgezählt. Berücksichtigt sind alle Schafhalter. Von der Kleinsthaltung bis zur Berufsschäferei.

Einst lebten Schäfer vor allem vom Verkauf der Wolle und von der Fleischproduktion. Doch der Preisverfall bei diesen Produkten macht den Schäfern zu schaffen. Ohne Fördergelder von der EU könnten sie nicht mehr überleben. Bis zu 270 Euro Fördergeld pro Hektar Weidefläche und Jahr gewährt die EU. Das gilt aber nur für Flächen, die auch sonst landwirtschaftlich genutzt werden. Also Weiden und, in geringem Umfang, abgeerntete Felder. Durch die intensive Landwirtschaft bleibt auf diesen Flächen aber kaum noch etwas für die Schafe. Außerdem fressen die Tiere ohnehin nicht dort, wo sie Pestizide und Dünger schmecken. Für andere Weideflächen, etwa für Wiesen von Solarparks, bekommt der Schäfer allerdings keine Förderung. Muß aber teilweise noch Pacht für deren Nutzung zahlen.

Ein wichtiger Aspekt der Schäferei ist zudem die Landschaftspflege. Wiesen, die nicht durch Schafe beweidet werden, würden innerhalb kurzer Zeit mit Bäumen und Sträuchern zuwachsen. Besonders wichtig sind Schafe auf Deichen und Gebirgswiesen, denn dort treten sie beim Fressen gleichzeitig die Hänge fest. Schäfer betreiben also vorbildliche, nachhaltige Landwirtschaft und leisten viel für die Gesellschaft. Dafür erhalten sie aber wenig finanzielle Anerkennung. Schäfer müssen deshalb heute große Natur- und Tierliebhaber und Idealisten sein. Ihr Einkommen liegt weit unter dem gesetzlichen Mindestlohn.

In der Religion spielt das Schaf eine wichtige Rolle. So hat der Schäferberuf in der christlichen Symbolik eine besondere Anerkennung gefunden. Denn es waren die Hirten auf dem Felde, denen als erste die Geburt Christi verkündet wurde. Und das Lamm wird im Christentum ebenso verehrt wie im Islam. Als Opferlamm und göttliche Speise.

Von Hartmut Idzko

Die Berufsbezeichnung "Schäfer" wird heute offiziell nicht mehr verwendet. Wer sich für den Beruf der Schäferin oder des Schäfers interessiert, muß sich nach "Tierwirt/in - Schäferei" umschauen.
Tierwirte und Tierwirtinnen der Fachrichtung Schäferei züchten und halten Schafe, um die Tiere oder deren Fleisch und Wolle zu verkaufen. Außerdem leisten sie einen wichtigen Beitrag zur Landschaftspflege.

Quelle: Bundesagentur für Arbeit

Bildquelle: ZDF/Hartmut Idzko

Tierwirt/in der Fachrichtung Schäferei ist ein 3-jähriger anerkannter Ausbildungsberuf in der Landwirtschaft.

Im Ausbildungsbetrieb lernen die Auszubildenden beispielsweise:
- wie man Tiere hält, versorgt und kennzeichnet und wie man Zuchtdaten erfasst und dokumentiert
- was man bei der Gesundheitsfürsorge für Tiere beachten muss, wie man Medikamente nach Anweisung verabreicht und dem Tierarzt assistiert
-welche Haltungsformen für Tiere es gibt und wie verschiedene Haltungssysteme und -techniken angewendet werden
-wie man Schafe hält und versorgt, insbesondere in stationärer Hütehaltung, Wanderschäferei oder Koppelhaltung
-wie Schafe bedarfsgerecht gefüttert werden und wie man Schafe hütet und mit Hütehunden umgeht
-was man bei der Schafzucht beachten muss: wie man Böcke auswählt und zuteilt, die Trächtigkeit von Mutterschafen feststellt und sie für die Geburt vorbereitet
-wie man die Geburt begleitet und Muttertiere wie Lämmer nach der Geburt versorgt sowie Lämmer aufzieht
-wie man Schafwolle gewinnt, welche Schurmethoden es gibt und wie man die Qualität der Wolle beurteilt
-worauf man beim Schlachten achten muss und wie man Schafmilch gewinnt
-wie man Schafweiden pflegt und bewirtschaftet und wie Schafe in der Landschaftspflege eingesetzt werden können
Darüber hinaus werden während der gesamten Ausbildung Kenntnisse über Themen wie Rechte und Pflichten während der Ausbildung, Organisation des Ausbildungsbetriebs und Umweltschutz vermittelt.

In der Berufsschule erwirbt man weitere Kenntnisse:
-in berufsspezifischen Lernfeldern (z.B. Handhabung von Geräten, Maschinen und Anlagen, das Herrichten und Instandhalten von Tierunterkünften, Warenbeschaffung und -lagerung)
-in allgemeinbildenden Fächern wie Deutsch und Wirtschafts- und Sozialkunde

Quelle: Bundesagentur für Arbeit

Tierwirt(e/innen) der Fachrichtung Schäferei finden Beschäftigung in erster Linie als selbstständige Schäfer und Schäferinnen in der Tier- oder Landwirtschaft, z.B. in Guts- oder Wanderschäfereien

Darüber hinaus finden sie auch Beschäftigung
-in Schlachtereien
-bei landwirtschaftlichen Interessenverbänden

Quelle: Bundesagentur für Arbeit

Die Ausbildungsvergütung für eine duale Ausbildung wird vom Ausbildungsbetrieb gezahlt und richtet sich bei tarifgebundenen Betrieben nach tarifvertraglichen Vereinbarungen. Nicht tarifgebundene Betriebe müssen laut Berufsbildungsgesetz
in jedem Fall eine angemessene Ausbildungsvergütung gewähren. Orientierungsmöglichkeiten bieten die einschlägigen tarifvertraglichen Vereinbarungen. Findet die Ausbildung in schulischer Form statt (z.B. an einer Berufsfachschule oder im 1. Ausbildungsjahr als Berufsgrundbildungsjahr BGJ), wird keine Ausbildungsvergütung gezahlt.

Beispiel Land- und Forstwirtschaft (monatlich brutto - je nach Bundesland):
1. Ausbildungsjahr: € 520 bis € 700
2. Ausbildungsjahr: € 570 bis € 770
3. Ausbildungsjahr: € 615 bis € 830
Quellen: Tarifinformationen des Bundes und der Länder (z.B. Bundesministerium für Arbeit und Soziales, WSI-Tarifarchiv, Tarifarchive der Bundesländer)

Hinweis: Diese Angaben dienen der Orientierung. Ansprüche können daraus nicht abgeleitet werden !
Insbesondere kleinere Schäfereien werden möglichweise nur geringere Vergütungen zahlen können.

Quelle: Bundesagentur für Arbeit

Im Jahr 2017 waren 19 699 Menschen in Deutschland sozialversicherungspflichtig als Tierwirte und Tierwirtinnen beschäftigt. 41,3 % davon waren Frauen. Jünger als 25 Jahre waren 5,8%. Älter als 50 Jahre waren 43%. Insgesamt hatten 67,8% eine anerkannte Berufsausbildung abgeschlossen.
Das durchschnittliche monatliche Bruttogehalt lag im Jahr 2016 mit 1773,- Euro im unteren Einkommensbereich (neuere Zahlen liegen noch nicht vor).
Gemessen an den geleisteten Stunden liegen die Einkünfte bei selbstständigen Tierwirten allerdings häufig unter dem gesetzlichen Mindeslohn.

Quelle: Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung / Bundesverband Berufsschäfer

Ein Film von Hartmut Idzko
Kamera: Oscar Rindlisbacher / Hartmut Idzko
Schnitt: Bodo Brüsehaber
Redaktion: Martin Ordolff
Leitung der Sendung: Volker Angres

Bildquelle: ZDF/Hartmut Idzko