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Boom-Region Ostsee

Zwischen Billiglohn und Wohnungsnot

"Mein Land, Dein Land: Boom-Region Ostsee - Zwischen Billiglohn und Wohnungsnot":  Luftbild Kaiserbad Ahlbeck, Abendstimmung in einer Kulisse aus vielen gediegenen Ferienvillen.
von Felix Krüger

Wohnen, wo andere Urlaub machen. Für viele Bewohner der Ostseeregion ist das kein Segen, sondern ein Fluch. Das Leben an den Küsten Vorpommerns ist keine Strandidylle.

Datum:
09.09.2017
Verfügbarkeit:
Video leider nicht mehr verfügbar

Es ist schwer, gut bezahlte Arbeit zu finden. Auf dem Stellenmarkt finden sich zwar viele Anzeigen – aber überwiegend Saisonjobs im Hotel- und Gaststättengewerbe - und dort gibt es häufig nur den Mindestlohn.

Heidi B. erlebt seit vielen Jahren, was es heißt, Saisonarbeiterin zu sein. Im Winter regelmäßig arbeitslos, verbringt sie die schönsten Monate im Jahr als Putzfrau in einem Gästehaus auf Rügen. Ihr Chef verrät, dass er über neun Euro Stundenlohn zahlt - damit kann er sich zu den großzügigeren Arbeitgebern rechnen.
Ihr größter Wunsch sei es, einmal selbst mit der Familie in den Urlaub fahren zu können, erzählt Heidi B., die in einer Plattenbauwohnung lebt. Das aber sei mit ihrem schmalen Monatsverdienst nicht machbar.

Reichtum und Armut prallen an der Ostsee aufeinander. Auf der einen Seite Highspeed-Yachten, die stundenweise zu Monatslöhnen gechartert werden. Auf der anderen Seite Menschen, die frustriert sind, dass es trotz harter Arbeit nur knapp über Hartz-IV-Niveau reicht.

Petra B., Hausdame im Ostseehotel in Ahlbeck, ist mittlerweile die einzige deutsche Angestellte im Servicebereich des traditionsreichen Hauses. Fast die komplette Arbeit wird hier von polnischen Fachkräften erledigt, die im nahegelegenen Swinoujscie wohnen. Für sie lohnt es sich, in Deutschland zu arbeiten. Hier wird bis zu dreimal so viel gezahlt wie in Polen, und die polnischen Mieten sind noch vergleichsweise günstig.

Für viele Einheimische ist es schlicht ausgeschlossen, in der Nähe ihres Arbeitsortes in den Seebädern eine bezahlbare Wohnung zu finden. Pendeln gehört zum Alltag an der Ostsee.

Alexander L., Küchenchef im berühmten Restaurant zur Seebrücke in Ahlbeck, kommt aus Anklam. Er fährt jeden Tag 70 Kilometer, aber das sei immer noch günstiger, als wenn er hier wohnen würde. Als Küchenchef ist er schon privilegiert. "Ich sag mal: Man kommt über die Runden. Für die Leute, die hier normal arbeiten, für die Köche, die hier den Mindestlohn kriegen (...), für die ist es sehr schwer."

Ob arm, ob reich, ob Gast oder Kellner - der Verkehr nervt alle. Für die Millionen PKW, die hier jedes Jahr zur Hauptsaison fahren, fehlt es schlicht an Straßen. "An Regentagen, wenn alle, statt am Strand zu liegen, in ihr Auto steigen, ist es am schlimmsten", erzählt Busfahrer Andreas K. Dann schieben sich kilometerlange Blechkarawanen in Schrittgeschwindigkeit über Usedom. Eine Busfahrt kann dann schon mal das Vierfache der fahrplanmäßigen Dauer erreichen.

Obwohl die Kaiserbäder Usedoms und die Kurorte Rügens Inbegriff gediegenen Wohlstandes sind, gehören die Landkreise Vorpommerns zu den ärmsten in der ganzen Bundesrepublik. Es gibt Orte, wo die Hälfte der Einwohner AfD und NPD gewählt haben. Der Bürgermeister von Peenemünde nennt die Wahl "Protest gegen eine Politik, in der sich die einfachen Bewohner eines der schönsten Landstriche Deutschlands vergessen fühlen".

Der Film aus der Reihe "Mein Land, Dein Land" begegnet Menschen, die tagtäglich für das Wohl der Touristen schuften und dabei schwierige Arrangements zwischen Leben und Arbeit treffen müssen, aber auch jenen, die das Glück haben, sich zu den Gewinnern des Ferienbooms zu zählen. Er erzählt kontrastreich vom Leben, Arbeiten und Urlaubmachen in einem der schönsten und gleichzeitig ärmsten Landstriche Deutschlands.

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