Dr. Michaela Bonfert (projektverantwortliche Ärztin und Wissenschaftlerin), Dr. Alexandra Sitzberger (projektleitende Ärztin) und Maike Marx (projektleitende Ergotherapeutin) über den medizinischen Nutzen des Projekts und TV-Formats
Wie sind Sie zu diesem ungewöhnlichen Projekt "Magic Moves" gekommen?
Am integrierten Sozialpädiatrischen Zentrum am Dr. von Haunerschen Kinderspital (iSPZ Hauner) des LMU Klinikums München betreuen wir im Fachbereich Motorik- und Interventionsambulanz (Leiterin: Oberärztin Dr. Alexandra Sitzberger) etwa 800 Kinder und Jugendliche mit angeborener und erworbener Hirnschädigung. In diesem Zusammenhang führen wir in der AG Neuromodulation (Leiterin: Oberärztin Dr. Michaela Bonfert) wissenschaftliche Projekte zu innovativen – auch selbst entwickelten – Therapiekonzepten durch.
In Folge einer Pressemeldung zu einem dieser Forschungsprojekte nahm die Produktionsfirma Content Laden Kontakt zu uns auf und stellten uns ihre Gedanken zu "Magic Moves" vor: Ein Projekt, in dem Zaubern als Therapie für Kinder mit Hemiparese zum Einsatz kommt. Da wir aus eigener Erfahrung unterstreichen können, dass Therapie besonders dann gut angenommen wird, wenn sie Spaß macht und die Aufmerksamkeit fesselt, war unser Interesse an dieser Projektidee sofort geweckt. Das britische Projekt BREATH aufnehmend, dem eine Vorreiterrolle in der Entwicklung von Zaubern als Therapieansatz beikommt, hatten wir hier im iSPZ Hauner bereits im Jahr 2014 ein einwöchiges Zaubercamp mit einer kleinen Gruppe von Kindern mit Hemiparese durchgeführt und konnten somit schon auf einen gewissen Erfahrungsschatz zurückgreifen.
Als sich auch unsere eng kooperierenden Kollegen PD Dr. Sebastian Schröder, Ärztlicher Direktor des Kinderzentrums Maulbronn, und Prof. Dr. Steffen Berweck, Chefarzt des Neuropädiatrischen Zentrums der Schönklinik Vogtareuth, von dem Projektvorschlag überzeugt zeigten, haben wir keinen Moment gezögert und unsere Beteiligung an "Magic Moves" zugesagt.
Was ist das Einzigartige am Projekt "Magic Moves"?
In "Magic Moves" haben wir ein innovatives und kindgerechtes Intensivtraining der Arm-Handfunktion für Kinder mit Hemiparese entwickelt. Einzigartig wird das Therapiekonzept "Magic Moves" dabei durch die Kombination von Ziel-orientiertem Training von durch die Kinder selbst festgelegten Therapiezielen beziehungsweise Wünschen aus Alltagsaktivitäten heraus, der Anwendung von Neurostimulation, dem eigens für das Projekt mit den professionellen Magiern entwickelten maßgeschneiderten Zaubertraining und den sorgfältig ausgewählten, therapeutisch begleiteten Gruppenaktivitäten im Rahmen eines zweiwöchigen Intensivcamps.
Hervorzuheben ist außerdem die umfassende wissenschaftliche Begleitung von "Magic Moves" mit besonderem Fokus auf Betrachtung der Arm-Hand-Funktion, psychologischer Aspekte (Selbstwertgefühl, Unabhängigkeit, Lebensqualität) und der Untersuchung, ob sich mittels bildgebender Verfahren (MRT/Kernspintomographie) möglicher Weise erreichte Verbesserungen der Arm-Hand-Funktion auch in Veränderungen im Gehirn widerspiegeln.
"Magic Moves" ermöglicht somit die Realisierung einer zeitgemäßen Forschung für Kinder. Eine derartige Forschung kann uns helfen, die Vorgänge besser zu verstehen, die durch die Therapie im Gehirn angestoßen werden. Außerdem lernen wir durch die umfassenden Untersuchungen mehr darüber, wie viel an Therapie für welches Kind mit welchen Erkrankungscharakteristika unter welcher Zielsetzung besonders gut geeignet sein kann. Aufbauend auf diesem Wissen werden wir das "Magic Moves"-Intensivtherapiekonzept weiterentwickeln können.
Was ist der medizinische Hintergrund zum Projekt "Magic Moves"?
Kinder mit Hemiparese erfahren meist die stärkste Einschränkung in ihrer Alltagsfunktion und Teilhabefähigkeit durch Schwierigkeiten in der Arm-Handfunktion. Je nachdem wie stark ausgeprägt die Schwäche der Muskulatur, die spastische Tonuserhöhung der Muskulatur und die fehlende motorische Kontrolle über einen Muskel oder eine Muskelgruppe sind, desto mehr oder weniger sind beid- und einhändige altersentsprechende Aktivitäten wie Schuhebinden, Reißverschlussschließen, Pizzaschneiden möglich. Um sowohl die Ein- als auch die Beidhand-Funktionsfähigkeit zu verbessern, haben sich verschiedene ergotherapeutische Ansätze bewährt. Den Kern erfolgreicher Konzepte stellen dabei eine individuell auf den einzelnen Patient:in abgestimmte und an Alltagszielen orientierte Herangehensweise sowie eine hohe Trainingsintensität über einen begrenzten Zeitraum dar.
Im Projekt "Magic Moves" wird eine solche personalisierte, ergotherapeutische Intervention mit dem Erlernen von individuell an das einzelne Kind adaptierter Zaubertricks kombiniert. Hierdurch wird eine extrem hohe Motivation aufseiten der Kinder erzielt und das Erreichen einer optimalen Trainingsintensität sichergestellt. Zum Performen eines Zauberkunststücks gehören neben den zur Ausführung notwendigen Bewegungsabläufen auch das Präsentieren des Tricks – also zum Beispiel das Auftreten und Sprechen auf der Bühne. Neben der eigentlichen Verbesserung der Arm-Hand-Funktion können durch diese Art des therapeutischen Zaubertrainings auch andere für Entwicklung und Teilhabe der Kinder maßgeblich wichtige Domänen angesprochen werden, wie zum Beispiel Selbstsicherheit und Selbstwertgefühl.
Durch die Verbesserung auf der Funktions- und Aktivitätsebene, die hieraus folgende Steigerung der Unabhängigkeit und die möglichen positiven psychologischen Effekte hat eine derartige Intensivtherapie das Potential die Lebensqualität des betroffenen Kindes und seiner Familie positiv zu beeinflussen.
Wie ist das Camp aus medizinischer Sicht gelaufen? Welche Erfolge haben sich tatsächlich eingestellt?
Die Ergebnisse werden im Verlauf des Herbstes 2024 ausgewertet und zusammengefasst.
Wie groß ist das medizinisch-wissenschaftliche Team im Hintergrund?
Für die Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung eines Intensivtherapiecamps wie "Magic Moves" bedarf es eines interdisziplinären und interprofessionellen Teams, das Hand in Hand arbeitet. Das ärztlich-therapeutische "Magic Moves"-Team umfasst insgesamt 33 Personen.
Welche besonderen Erfahrungen und Ergebnisse nehmen Sie aus "Magic Moves" mit?
Von der ersten Idee und den ersten Gesprächen an war "Magic Moves" für uns ein ganz besonderes Herzensprojekt. Der Erfolg des "Magic Moves"-Camps ist ganz besonders der Offenheit der Familien gegenüber dem Projekt, der unglaublich hohen Motivation der beteiligten Kinder, der großen Erfahrung aller Therapeut*innen aus den drei beteiligten Zentren, iSPZ Hauner des LMU Klinikums, Kinderzentrum Maulbronn und Schönklinik Vogtareuth, und dem außergewöhnlichen Engagement aller am Projekt beteiligten Kolleg*innen zuzuschreiben. Die hochkonzentrierte Atmosphäre, die auf der Burg herrschte, ermöglichte die maßgeschneiderte Gestaltung der unterschiedlichen Therapiemaßnahmen. Besonders beeindruckt hat uns dabei auch die Arbeit der Magier – von Andreas und Chris Ehrlich sowie Andreas Sucker, Henri Hainz und Oskar Stolovits – mit den Kindern. Immer voll und ganz auf Augenhöhe und Dank ihrer sehr einfühlsamen Art und Weise ist es ihnen allen gelungen, die anspruchsvollen Zaubertricks ganz selbstverständlich zu vermitteln. Durch die Anwesenheit der Magier im Camp wurde das Zaubertraining so jeden Tag zu einer außergewöhnlichen Therapiestunde.
Alle Kinder waren so hochmotiviert bei der Sache, dass auch außerhalb der Therapieeinheiten kräftig gemeinsam mit den anderen Kindern gezaubert wurde – egal wo man abends hinkam, überall wurde gelacht, präsentiert, gestaunt und applaudiert. Auf die hierdurch zum Teil sehr rasch erreichten Therapiefortschritte der Kinder konnte in der sehr engen und wertschätzenden Zusammenarbeit zwischen dem therapeutischen Team und den Zauberern hervorragend reagiert und das Zauberprogramm so stetig weiterentwickelt werden. In diesem Sinne sind wir sehr glücklich in diesem Projekt erfahren zu haben, was wir alle gemeinsam als große "Magic Moves"-Familie erreichen können.