Die Indianer kommen!

Für Ihren Film „Die Indianer kommen!“ sind Sie zu den Kogi-Indianern in die Sierra Nevada de Santa Marta gereist. Was ist das für ein Volk?

Die Kogi sind etwas ganz Besonderes. Sie sind das letzte Indianervolk in Südamerika, das noch genauso lebt wie vor 400 Jahren - mit seinen alten Ritualen und Zeremonien. Die Eroberung durch die Spanier, die Conquista, hatten nur 400 Kogi überlebt. Dass sie heute noch existieren liegt nur daran, dass sie sich nach der Eroberung in die Höhen des Küstengebirges in Kolumbien zurückgezogen haben. Fast 5000 Meter hoch. Erst im letzten Jahrhundert, in den 80er Jahren, sind sie zurückgekommen, um uns zu warnen: Dass wir die Natur zerstören. Die Kogi verstehen sich als die Hüter der Welt. Es ist ihnen wichtig, dass die Natur im Gleichgewicht bleibt. Sich darum zu kümmern, das ist ihre Lebensaufgabe.

War es schwierig eine Drehgenehmigung bei den Kogi zu bekommen?

Ja, es ist sehr schwer zu den Kogi zu kommen. Sie leben sehr zurückgezogen, sehr versteckt. Und sie lassen ungern Menschen in ihr Gebiet, - schon gar nicht Fernsehteams! Sie werden ja bis heute bedroht, von Drogenkartellen, von Paramilitärs, von der Guerilla – und zum Teil auch von der Politik. Es sollen Ferienanlagen auf ihrem Gebiet gebaut werden, es soll Erdgas gefördert werden. Sie haben ganz schön um ihr Überleben zu kämpfen. Deshalb sind sie auch misstrauisch, aus gutem Grund. Es hat ziemlich lange gedauert ihre Einwilligung zu bekommen. Und auch als wir dann da waren, mussten wir erstmal Reinigungsrituale machen, damit sie sehen konnten, ob wir ihr Vertrauen wirklich wert sind.

Wie kam es denn zum ersten Kontakt mit den Kogi?

Vor zwei Jahren waren zwei von den Kogi in Berlin: ein Mamma, einer der weisen Führer, und Santos Sauna, der politische Sprecher der Kogi. Sie haben zwei Masken im Depot des Ethnologischen Museums besucht, die die Kogi früher in Gebrauch hatten. Sie möchten, dass die Masken in die Sierra Nevada zurückkommen. Sie wollen mit ihnen wieder ihre Rituale machen. Es sind für sie wichtige, mächtige Masken, die für das Gleichgewicht der Natur sorgen. Die Kogi-Indianer sprechen mit Masken, sie sehen sie als ihre Vorfahren an, für sie sind Masken lebendige Wesen. Und auch hier in Berlin haben sie mit den Masken im Depot kommuniziert. Da habe ich sie damals filmen dürfen.

In Ihrem Film geht es aber ja nicht nur um die Kogi-Indianer. Was ist das zentrale Anliegen des Films?

Der Film geht vom Humboldtforum aus. Das ist in der Mitte Berlins im Berliner Schloss der neue Ort, der gerade für die Kulturen der Welt geschaffen wird. Dort soll es zum Dialog mit den Völkern und den Völkern untereinander kommen. Und da spielen natürlich die indigenen Völker, wie die Indianer, wie die Kogi und viele, viele andere Gruppen – Ursprungseinwohner von verschiedenen Ländern – eine riesengroße Rolle. Die Frage ist: In welcher Weise werden die Kulturen dieser Völker berücksichtigt? Werden wir sie überhaupt verstehen? Was wird vermittelt? Wie gehen wir mit ihnen um? Gibt es Respekt und Wertschätzung? Wie kann das funktionieren? Eine super schwere Aufgabe für die Kuratoren und Museumsleute. Wir wollten ein Stück weit diese Arbeit begleiten und schauen, was passiert hier? Wie sind die Vorbereitungen für das Humboldtforum? Und wie ist tatsächlich das Leben der Indianer, der Indigenen? Kann man das wirklich vermitteln?

Das Humboldtforum wird ja erst 2019 eröffnet, warum jetzt schon der Film?

Diesen Sommer war ja Richtfest. Da wurde groß gefeiert, es gab die großen Worte und Reden, die klassische Musik und es gab auch einige, die protestiert haben. Die gesagt, haben: das was im Humboldtforum passiert, da müssen wir genauer hingucken. Es gibt viele Indigene und viele Völker in der Welt, die Objekte in Berlin haben, die sie entweder zurückhaben wollen oder wo sie Einfluss drauf haben wollen, wie die Objekte ausgestellt werden, ob sie ausgestellt werden, als was sie beschrieben werden. Sie wollen selber einbezogen werden, auf Augenhöhe mitwirken bei der Gestaltung.

Und insofern ist das, was jetzt aktuell passiert, das Richtfest, und alles, was den Umzug und die Ausstellungen vor Ort vorbereitet, interessant. Zu sehen: auf der einen Seite die guten Vorsätze und auf der anderen Seite, die Frage, wie setzt man ihn um, diesen Dialog der Kulturen?

Gibt es etwas, was Sie für sich persönlich aus dieser Arbeit an dem Film mitnehmen?

Das größte und eindrucksvollste Erlebnis der Reise war glaub ich, wie wir ernst genommen wurden, wie sehr man uns vertraut hat, das hat mich sehr tief berührt. Ich hatte vorher gehört, die sind abweisend, die wollen gar nichts mit euch zu tun haben. Frauen spielen schon erst recht keine Rolle. Als Frau wirst du da überhaupt keine Chance haben, die dürfen nicht mal in die Tempel. Das hat sich alles als gar nicht so richtig herausgestellt. Es gibt zum Beispiel auch Sachas, das sind eben weise Frauen, also Mammas als Frauen. Wir durften eine kennenlernen, ich durfte mit ihr sprechen. Wir durften Tänze, Ritualtänze auch von den Frauen drehen, dabei sein bei den Frauen im Tempel.

Ich hatte das Gefühl, dass ich sehr ernst genommen wurde. Klar, die Kogi haben auch ihren Stolz deutlich gemacht. Aber ich habe sehr viel Respekt und Wertschätzung empfunden - und empfinde es immer noch so - für Menschen, die einen zurückführen auf das, was das Wichtige ist, auf das Wesentliche, auf das es im Leben ankommt. Was wir hier so oft vergessen.