Es war einmal ein bettelarmes Volk von Bergbauern, das einen Ausweg aus seiner Armut suchte. So hatte 1860 ein Pfarrer aus der Region die entscheidende Idee: Er ließ aus eigenen Mitteln Wege anlegen, bildete Einheimische zu Bergführern aus und bot Besuchern Unterkunft und Verpflegung an. Damit war der Grundstein für den Tourismus in den Bergen gelegt.
Und heute? Im Ötztal verbrachten alleine 2012 rund 3,7 Millionen Menschen ihren Urlaub. Endlose Skipisten, unzählige Schirmbars und Après-Ski-Party-Hütten zeigen, dass vor allem im Winter hier am meisten los ist: ein Vergnügungsparadies im Schnee, eines der Top-Tourismusziele in den Alpen. Naturschützern und selbst vielen Einheimischen ist die Ballermann-Atmosphäre ein Graus. Dabei hat das über 60 Kilometer lange Ötztal doch so viel mehr zu bieten, gerade auch für Andersdenkende.
Gleich neben Hütten mit dröhnender Gaudi-Musik behauptet sich Jakob Prantl mit seiner Alm oberhalb von Sölden. Der Andrang - und damit der Umsatz - ist hier nicht so groß.
Doch für Jakob Prantl ist das gelebter Einklang mit der Natur. In beschaulicher Atmosphäre sollen Besucher den Blick hinunter ins Tal genießen. Prantl ist zudem Landwirt, kennt jede seiner 30 Kühe mit Namen.
Tradition trifft Moderne
Tatsächlich findet Ruhe, wer sie vor allem am anderen Ende des Ötztals sucht: in Oetz, dem Gegenstück zum turbulenten Sölden, einem kleinen Dorf mit knapp 2500 Einwohnern und einem deutlich kleineren Skigebiet. Hier, im historischen "Gasthof zum Stern", der seit mehr als 400 Jahren Menschen beherbergt, stehen Margit und Maria Grießer an ihrem uralten holzgefeuerten Herd. Die Schwestern kochen ausschließlich das, was im Ötztal schon immer auf den Tisch kam. Bis vor kurzem gab es noch nicht mal eine Speisekarte. Die hat der Junior unlängst durchgesetzt, als einziges Zugeständnis an die Moderne. 1956 hat Hans Moser im "Stern" den Spielfilm "Solange noch die Rosen blühn" gedreht. Margit und Maria haben den Leinwandstar kennen gelernt - und erzählen, dass ihre Mutter seinerzeit ein besonderes Filmrequisit stibitzte. Das hüten sie heute wie einen Schatz.
Die Prominenz kommt auch heute noch nach Oetz, aus ganz privaten Gründen. Denn Schlagerstar DJ Ötzi ist immer wieder hier. Weniger, weil dies seine Heimat ist, sondern weil hier seine Großmutter Ella lebt. Zu ihr hat er eine sehr enge Beziehung, weil sie ihren Gerry (wie sie ihn immer noch mit seinem bürgerlichen Namen nennt) einst groß gezogen hat.
Die verschiedenen Welten des Ötztals sind es nicht zuletzt, die eine junge Malerin inspirieren - und die sie nicht nur in ihren ungewöhnlichen Bildern auslebt. Hannah Scheiber. Sie ist 21 Jahre, bildhübsch, und wenn sie nicht gerade in Wien studiert und malt, kommt sie in ihre Heimat ins Ötztal und verdient sich ihr Geld als Skilehrerin. Als Pendlerin zwischen den Pisten in Obergurgl und ihrem Atelier in Wien hat sie einen ganz besonderen Blick auf die "echt krassen Gegensätze dieses Alpentals", wie sie sagt.
Der berühmteste Besucher des Ötztals übrigens, "Ötzi", wurde - zum Leidwesen der örtlichen Tourismusmanager - doch ein paar Meter zu weit auf italienischem Eis gefunden und ruht nun in einer Vitrine in Bozen. In Sölden wäre es ihm vielleicht auch zu laut.