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Stolzes Sizilien

Aufbruch am Ätna

Das malerische Taormina liegt im Osten Siziliens.

Trauminsel im Mittelmeer – oder Eiland des Elends? Sizilien erlebt den Beginn einer neuen Zeit. Zwischen Palermo und Taormina trifft Gert Anhalt junge Sizilianer mit Mut, Ideen und Visionen.

Datum:
11.07.2017
Verfügbarkeit:
Video leider nicht mehr verfügbar

»Die jungen Sizilianer tragen die Verantwortung für ihre Zukunft«, sagt Kunsthistorikerin Chiara Sciortino, 32. »Ich spüre, dass hier etwas in Bewegung gekommen ist.«

Lange galt die Insel als hoffnungsloser Fall - aber nun kommt eine neue Generation, gut ausgebildet und mit europäischer Perspektive. Und die will sich nicht mit dem Image ihrer Heimat als hoffnungsloser Fall abfinden. Gerade wurde Palermo zu Italiens »Stadt der Jugend« erklärt und tatsächlich spürt man vielerorts mitten in der Krise eine jugendliche Aufbruchstimmung. 

Leuchtend blau ist das Meer vor den Ägadischen Inseln, ein Paradies für Segler.
Leuchtend blau ist das Meer vor den Ägadischen Inseln, ein Paradies für Segler.
Quelle: ZDF/Gert Anhalt

So wie bei Chiara. Ihr Beitrag zur Verbesserung ihrer Insel: als Fremdenführerin der Gruppe »Addio Pizzo Travel« Reisegruppen an die Schauplätze des organisierten Verbrechens zu geleiten. Addio Pizzo (»Schluss mit dem Schutzgeld«) ist eine Bürgerbewegung, die sich seit 11 Jahren gegen das organisierte Verbrechen zur Wehr setzt.

Chiara kann sich mit ihrem festen Job glücklich schätzen. Tatsächlich sind die Aussichten für Berufseinsteiger nicht besonders rosig. Sizilien hat keine nennenswerte Industrie, dafür aber eine wildwuchernde Bürokratie. Jeder, der den Mut hat, etwas was neues anzufangen, muss viele Hindernisse überwinden.

»Ein halbes Jahr warten wir schon auf unsere Arbeitsgenehmigungen!« stöhnt Vincenzo, 29. Der gelernte Zahntechniker hat sich Anfang des Jahres bei einem Lehrgang als Schuhputzer angemeldet. Dass auf 10 Stellen 120 Bewerber kamen - darunter auch Akademiker - zeigt, wie verzweifelt die Lage am Arbeitsmarkt ist. Und dann warteten sie monatelang auf einen Behördenstempel. Aber immerhin - Anfang Juli konnten er und seine Kollegen endlich loslegen.

Sonnenuntergang in Santacroce
Sonnenuntergang in Santacroce
Quelle: ZDF/Gert Anhalt

Mehr als 70,000 Sizilianer haben in den letzten Jahren ihre Heimat verlassen, um weiter nördlich ihr Glück zu machen. Das käme für Fabrizio nicht in Frage. Der junge Mann aus Gangi, einem spektakulären Felsendorf, baut traditionelle Tambourine. »Die müssen genau so klingen wie im Mittelalter« erklärt er, denn er schwört auf die Tradition. Aber die bringt eben auch Probleme.

Ein bisschen wie im Mittelalter wirkt nämlich auch die Altstadt von Gangi - und das will nicht jedem gefallen. Hunderte der Steinhäuser stehen leer weil die junge Generation massenhaft verschwindet.

Das brachte Bürgermeister Ferrarello auf eine Idee: wer verspricht, es zu renovieren, der kann so ein Haus für nur einen Euro kaufen. Das Angebot machte in ganz Europa Schlagzeilen und brachte tatsächlich wieder neuen Schwung ins Städtchen.

Über mangelnde Besucherzahlen müssen sie sich auf der Insel Favignana ganz im Westen Siziliens jedenfalls nicht beklagen. Früher war sie bekannt für ihren reichen Tunfischfang. Aber große Fische gibt es hier längst nicht mehr - selbst kleine werden immer seltener.

»Die Fischtrawler mit ihren Schleppnetzen haben uns Fischer kaputt gemacht« seufzt Domenico. Er hat eine neue Einkommensquelle gefunden: zusammen mit seinem 16jährigen Sohn Salvatore, unternimmt er Ausflugstouren in den kristallklaren, wenn auch mittlerweile nahezu fischlosen Gewässern rund um die Insel. »Aber wenn der Junge eine sichere Zukunft will«, meint er, »dann bleibt ihm wohl nur das Auswandern.«

Seit Generationen sind die Sizilianer die eifrigsten Auswanderer - vor allem in die USA. Aber natürlich auch nach Nordeuropa - oder Norditalien. Fast jeder hier kennt einen oder hat einen in der Familie, der sein Glück in der Fremde suchte.

Vielleicht deshalb zeigen sie den Flüchtlingen aus Afrika gegenüber soviel Anteilnahme. Hunderttausend waren es in diesem Jahr schon, die von Helfern vor der libyschen Küste aufgenommen und ins nahe Sizilien gebracht wurden. 

»Bei uns kommen alle an« erklärt Salvo Avola, 34, der sich in der Flüchtlingshilfe im Küstenort Pozallo engagiert, einem der Hotspots. »Und es kommen sehr viele. Und doch erlebe ich immer wieder die große Hilfsbereitschaft der Sizilianer.«  Aber auch er räumt ein, dass der Zuwanderungsdruck die angespannte Lage auf dem Arbeitsmarkt sicher nicht verbessert.

Es sind spannende, prägende Zeiten auf Sizilien, dieser Schatzinsel Europas, die reich ist an Tradition und Geschichte, und deren junge Generation gerade dabei ist, ihre Zukunft mutig und neu zu gestalten.

 

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