Nur 40 Sekunden dauert es, um den Besucherfahrstuhl zur Aussichtsplattform in 203 Meter Höhe zu katapultieren. Der digitale Höhenanzeiger rast dahin, in den Ohren knackt es, und manch einen überfällt ein dumpfes Gefühl bei dem Gedanken, dass unter dem Liftboden ein 200 Meter tiefes Loch gähnt. Ziel ist das Innere der Silberkugel des Berliner Fernsehturms am Alexanderplatz, in Konkurrenz mit dem Brandenburger Tor das über der Stadt leuchtende Wahrzeichen Berlins und mit seinen 368 Metern das höchste Bauwerk Deutschlands.
Ein Gigant mitten in Berlin, der ohne den Kalten Krieg wahrscheinlich nie entstanden wäre. Der Bau begann Mitte der sechziger Jahre, als der Wettlauf zwischen Ost und West ständig neue Runden drehte und der Glaube an die Technik keine Grenzen und nur Superlative kannte. Nachdem die Sowjetunion mit ihrem Sputnik den USA den Rang um den Start ins All abgelaufen hatte, wollte auch die DDR für einen Rekord sorgen, ein einschüchterndes Symbol der Baukunst und der Stärke. Am Alexanderplatz, dem Vorzeigeort des neuen Ost Berlins, endeten 1969 die Bauarbeiten für einen ganz Berlin überragenden Turm, dessen silberne Aussichtskugel in der Mitte nicht ohne Grund an den Sputnik-Flug des großen sozialistischen Bruders erinnern sollte.
Besuchermagnet "Telespargel"
Es gab aber noch andere Gründe: Mit der Teilung der Stadt waren Empfangsfrequenzen für das Fernsehen und den Rundfunk der DDR nur begrenzt verfügbar. Durch den Bau einer so hohen Sendeanlage sollten alle Ost-Berliner sozialistisches Programm empfangen können - und der medialen Republikflucht ins "West-Fernsehen" entsagen.
Nach dem Ende der DDR gab es Überlegungen, den Fernsehturm einzureißen. Doch schnell war klar, dass man auf diese Weise ein besonderes Monument der Nachkriegsgeschichte - und der Baukunst beseitigt hätte. Über eine Million Besucher jährlich sind der Beweis für die Attraktivität des "Telespargels" oder von "Ulbrichts Renommierstängel" oder des mit vielen anderen Bezeichnungen benannten Bauwerks. Nirgendwo ist der Ausblick über Berlin so grandios wie hier: Zu Füßen die Spree, die sich als glitzerndes Band durch das Zentrum schlängelt, der Reichstag und das Brandenburger Tor.
Störende Reflexe
Von hier aus kann man auch die Marienkirche sehen, neben dem Roten Rathaus letztes Zeugnis des historischen Zentrums von Berlin am Alexanderplatz. Alles andere wurde im Krieg zerstört oder musste der DDR-Stadtplanung weichen. Vielen Berlinern ist der Fernsehturm eine Mahnung und zwar genau dann, wenn die Sonne ein riesiges glitzerndes Kreuz auf die Kugel zeichnet: "Die Rache der Marienkirche" oder auch "Sankt Walter" nannten sie deshalb auch das Wahrzeichen am Alexanderplatz. Wegen dieses nicht geplanten Effekts der Erbauer soll es übrigens Überlegungen gegeben haben, die Lichtbrechung zu beseitigen.
Eine solche Planung ist nicht mit Sicherheit belegt, sie gehört einfach zu den vielen Geschichten und Mythen, die den Berliner Fernsehturm umranken - wie jene, die auch die Entscheidung des Standortes betrifft: Der Parteichef und selbsternannte Stadtplaner Berlins Walter Ulbricht soll mit einem Fingerzeig auf ein Modell des Alexanderplatzes seinen Genossen klare Vorgaben gemacht haben - mit den überlieferten Worten: "Nu, Genossen, da sieht man's ganz genau. Da gehört er hin!".
Er gehört zu den Top Ten
Heute, über 40 Jahre nach der Fertigstellung, ist Walter Ulbricht Vergangenheit und der Fernsehturm immer noch da. Mit einer Höhe von 368 Metern gehört er zu den höchsten Bauwerken Europas und liegt unter den Top Ten der beliebtesten Ausflugsziele der Deutschen.
Die unterhaltsame Kurzdokumentation beleuchtet die Geschichte dieses außergewöhnlichen Bauwerks und zeigt, was Besucher und Berliner damit verbinden.