Höchstes Gebirge Norddeutschlands, Touristen-Hotspot für Outdoor-Action, sagenumwobenes Wanderparadies, Schauplatz der deutsch-deutschen Teilung - der Harz hat viele Gesichter.
Auf ihrer Harz-Reise trifft ZDF-Autorin Annegret Oster Actionliebhaber auf schwankenden Hängeseilbrücken, wandert mit einem früheren DDR-Grenzer auf den Brocken, besucht eine Theaterpremiere im Wald und fliegt mit dem Gleitschirm über die Fachwerkstadt Goslar.
„3-2-1 und los!“ Egal, ob Madeline Hinze ihre Kunden an der Mega-Zipline über den Rappbode-Stausee rasen oder an der GigaSwing 75 Meter in die Tiefe stürzen lässt – der Adrenalin-Kick ist garantiert. Die quirlige 28-Jährige ist Teamleiterin bei einem Freizeitpark für Actionhungrige. Damit es beim Nervenkitzel bleibt und alle Knochen heil bleiben, arbeiten Madeline und ihre Kollegen im Sommer 10 Stunden täglich: Sicherheitsgurte anziehen, Seilwinden montieren, sichern, abbremsen. Klingt anstrengend? Ist anstrengend! Und doch: „Ich habe den besten Job der Welt“, lacht die junge Harzerin, „ich bringe den Menschen Spaß! Ich kann mir nicht vorstellen, was anderes zu machen oder aus meiner Heimat wegzuziehen!“
Etwas ganz anderes verbindet Dietmar Schultke mit dem Begriff „Heimat“. Der 51jährige wurde in der ehemaligen DDR groß. Mit 19 wurde er zum Hundeführer ausgebildet, leistete seinen Wehrdienst als Grenzsoldat am höchsten Berg Norddeutschlands. „Der Brocken war militärisches Sperrgebiet. Die Russen hatten dort oben eine Abhörstation. Auch die Stasi war dort“, erzählt Schultke. „Ich habe meine eigene Gefangenschaft bewacht“. Auf denselben Wegen wie damals bietet Schultke heute Wanderungen auf den Brocken an, auf denen er sehr persönlich von einem zum Glück überwundenen Kapitel deutscher Geschichte erzählt.
Auch für Benno Schmidt ist der Brocken ein Schicksalsberg. Fast jeden Tag läuft der 86-Jährige aus Wernigerode auf „seinen“ Berg – über die steilste Strecke, das Eckerloch. Unglaubliche 8.500 Mal war er schon oben – das kann er beweisen: Jeden Aufstieg lässt er sich oben abstempeln. Im Harz ist „Brocken-Benno“ bekannt wie ein bunter Hund – und ein Ende seiner Wanderleidenschaft ist nicht in Sicht: „Immerhin konnte ich 28 Jahre lang nicht hoch – ich hab noch viel nachzuholen“, sagt er.
Doch der Harz hat nicht nur Natur zu bieten, sondern auch Kultur. Das Festival „Theaternatur“ verbindet beides. Shakespeares „Sturm“ im Harz. Zeitgenössisches Theater mitten im Wald. Der Regisseur Janek Liebetruth bringt die Welten zusammen. Der 38Jährige stammt aus dem Harz, hat in den USA studiert, lebt in Berlin – und hat die jahrelang im Dornröschenschlaf versunkene „Waldbühne“ seines Heimatdorfs Benneckenstein reaktiviert. „Wenn ich nicht von hier stammen würde, würde ich hier keinen Fuß auf den Boden kriegen. Aber ohne draußen in der weiten Welt gewesen zu sein, könnte ich das hier auch nicht machen.“
In Goslar sind Annika und Karsten Hoffmeister zuhause. Beide leben für ihr gemeinsames Hobby – das Gleitschirmfliegen. Dabei haben sie sich auch kennengelernt und ineinander verliebt. Mittlerweile lebt das Paar in Goslar, der Heimatstadt von Karsten – in einem alten Fachwerkhaus, am Fuß des Rammelsbergs. Nordwestwind brauchen sie – dann hält sie nichts mehr: Magisch zieht es sie auf „ihren“ Berg, und an ihren Schirmen gleiten sie von ihm herunter – über die pittoreske Fachwerkstadt Goslar, am liebsten beim Sonnenuntergang. „Mit Extremsport hat das nichts zu tun. Das ist reine Entspannung. Und Genuss pur!“