Gedanken von Lisa Wagner, Joachim Król und Axel Milberg zu Fall, Film und Person
Die Realität "schrieb" – ohne die Arbeit der beiden Autoren schmälern zu wollen – das Drehbuch für das Dokudrama über Beate Zschäpe. Der Stoff ist traurige Wirklichkeit. Welche Gedanken kamen, als man Ihnen vor Monaten die Rolle anbot? Welche Überlegungen haben zur Zusage geführt?
Lisa Wagner: Die Befürchtung, jemandem einen Fokus zu geben, eine Aufmerksamkeit, die dieser Person nicht gegeben werden sollte. Die Befürchtung, dazu beizutragen, dass man sich über Gebühr mit Frau Zschäpe befasst, die dies ja auch zu genießen scheint, und dass der Fokus wieder einmal von den Opfern zu den Tätern wandert. Der Wunsch und Drang zu verstehen, hat aber letztlich überwogen und dazu geführt, sich der Herausforderung zu stellen.
Joachim Król: Die Aufgabe für die Drehbuchautoren war eine extrem schwierige, auch wenn der Eindruck entstehen konnte, "die Realität hätte das Drehbuch geschrieben". Sie mussten aus sehr überschaubaren Quellen schöpfen – sehr schwierig. Ich denke, es ist ihnen hervorragend gelungen, eine Grundlage zu schaffen, auf der wir Schauspielerinnen und Schauspieler das wirkliche Geschehen so realitätsnah wie nur möglich erarbeiten konnten.
Axel Milberg: Es ist immer von besonderer Relevanz, mit einem Film mehr zu erreichen als gute Unterhaltung. Schlimme Versäumnisse, Verbrechen in unserer Gesellschaft, die vielleicht unter den Teppich gekehrt werden, aufzudecken. Oktoberfest-Attentat, Waffenexporte oder NSU-Dilemma: Behörden sind verstrickt, Beamte unfähig, Ermittlungen vereitelt. Dokumentationen darüber sind wichtig, Spielfilme auch.
Wie nähert man sich als Schauspieler einem Thema, das durch die öffentliche Berichterstattung und den noch andauernden Prozess derart präsent, aktuell und brisant ist, wie der vorliegende Fall?
Lisa Wagner: Man liest, was man dazu finden kann, möglichst viel zum Werdegang, zu Alltäglichem, zur Kindheit. Man versucht zu verstehen, was die zu Grunde liegenden Motivationen sein könnten, versucht, eine Phantasie für ihre Handlungsweise zu entwickeln, ein Gespür dafür zu kriegen, wie diese Frau funktioniert. Ansonsten setze ich mein Vertrauen in Raymond Ley, Frau Zschäpe ins "rechte Licht" zu setzen, was eine wahre Gratwanderung ist, wie alles, was mit diesem Thema im Zusammenhang steht.
Joachim Król: Die öffentliche Berichterstattung ist ja vielfältig. Meine Aufgabe war es, neben meinen persönlichen Reaktionen darauf, mir zu überlegen, wie ein hochprofessioneller Verhörspezialist, der absurderweise ja seiner eigentlichen Arbeit gar nicht nachgehen durfte, mit ihr umgeht – sehr reizvoll.
Axel Milberg: Als Schauspieler beobachte ich natürlich den echten, lebendigen Menschen, der agiert, sich und andere bewegt, ohne ihn zu bewerten. Als Individuum, möglicherweise mit Eigenheiten. Arbeite von außen nach innen.
War bzw. ist die Rolle für Sie eine "wie jede andere", die Sie sich mit Ihrer Professionalität erarbeiten, oder mussten Sie sich dem Thema und der Rolle anders nähern als sonst? Wie sind Sie an die Arbeit herangegangen?
Lisa Wagner: Was diese Rolle von anderen unterscheidet, ist natürlich das allgemeine Interesse. Jeder, mit dem ich gesprochen habe, hat dazu eine Meinung, und die Debatte wird sehr schnell sehr hitzig. Das hängt natürlich auch mit der deutschen Geschichte zusammen. Wie wird man dem Thema gerecht? Um Frau Zschäpe spielen zu können, muss ich ihr innerhalb ihres Kosmos recht geben; muss ich mich mit ihrem Werdegang identifizieren und ihr Sein anerkennen, sonst kann ich sie nicht verstehen; sonst kann ich sie nicht glaubhaft verkörpern, auch wenn ich mich von ihr privat als Person komplett distanziere. Das ist ein schizophrener Vorgang, aber das ist in dem Fall meine Aufgabe als Schauspielerin. Alles andere wäre ein Verrat an der "Figur", ein nicht gefülltes Vorzeigen; und das hat mit wirklich verstehen wollen dann nichts zu tun.
Axel Milberg: Der Richter Manfred Goetzl leitet die Gerichtsverhandlung. Seit Jahren, mit zahlreichen Rechtsverteidigern im Raum, beobachtet von der, ja, Weltöffentlichkeit. Ein unendlich schweres Amt. Es braucht einen sehr erfahrenen Langstreckenläufer. Dennoch blitzt etwas vom Menschen hervor, dahinter, der ungeduldig ist, hellwach und um Übersicht kämpft. Ihn habe ich kurz beobachten können im Gerichtssaal.
Joachim Król: Erst einmal ist das natürlich eine Rolle wie jede andere, wie es ja auch für die Ermittler, Anwälte und Richter ein Fall wie jeder andere sein sollte. Dass es das nicht sein kann, liegt auf der Hand. Interessant und äußerst hilfreich war die daraus entstehende intensive Auseinandersetzung mit dem Thema im Ensemble und im Team allgemein. So etwas erlebt man bei konventionellen Dreharbeiten nicht.
Die Fragen stellte Barbara Gauer