Damals verloren Zehntausende Bergarbeiter ihre Arbeit. Die Jungen gingen in den Westen, die Älteren blieben resigniert zurück. Jetzt aber siedeln sich immer mehr Menschen wieder in der alten Heimat an. Und für das Lausitzer Seenland gibt es große Pläne.
Durch das Fluten des Braunkohlereviers soll hier Europas größte künstliche Wasserlandschaft entstehen: Wo sich früher gigantische Bagger durch das Erdreich wühlten, stechen heute Urlauber in See, und ehemalige Bergarbeiter sind jetzt Touristenführer.
Stephanie Auras-Lehmann hat lange in Berlin und New York gelebt, sich dann aber entschieden, nach Finsterwalde zurückzukehren, wo sie aufgewachsen ist. Den Begriff "Heimat" dürfe man nicht den falschen Leuten überlassen, sagt sie: "Ich bin hierher zurückgekehrt, weil ich nicht wollte, dass hier alles ausstirbt." Damit das klappt, hat sie eine Beratungsstelle für Rückkehrwillige gegründet; denn wer zurückkommt, der braucht Wohnung, Job und die Kinder einen Platz im Kindergarten oder in der Schule.
"Ich bin damit groß geworden, dass alle sagen, der Osten sei braun. Aber ehrlich, das stört mich nicht. Es sind auch meine Werte. Deutsch sein, stolzer Ostdeutscher sein. Wer mein T-Shirt nicht mag, kann ja weggucken", sagt Brian. "Division Brandenburg" steht aufn dem T-Shirt – der Name einer Spezialeinheit der Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg. Er lebt in Sachsendorf, einem Stadtteil von Cottbus. Einen Job hat der 26-Jährige nicht, auch keine Ziele. Sven Feldner ist Sozialarbeiter in Sachsendorf und kennt viele junge Leute wie Brian. Er will ihnen eine Perspektive geben, kämpft für ein besseres Image des Stadtteils, und er weiß, was hier notwendig ist: "Natürlich brauchen wir hier Jobs, damit schaffen wir positive Perspektiven. Nur dann kann sich die ganze Region weiterentwickeln."
Waldemar Locke ist richtig sauer. Er ist Bürgermeister im sächsischen Mühlrose, dem letzten von mehr als 100 Dörfern, das dem Braunkohleabbau weichen muss. Die Abrissbagger sind gerade dabei, die ehemalige Dorfkneipe dem Erdboden gleichzumachen. Locke befürchtet, dass nichts von den 40 Milliarden Euro, die für den Strukturwandel in die Lausitz fließen, bei seinen Leuten ankommt. Monatelang hat er Projektanträge geschrieben, sie wurden alle abgelehnt. Die Stimmung im Dorf ist explosiv. Viele der Alten hier wollen lieber in Mühlrose sterben, als sich umsiedeln zu lassen. Auch für Waldemar Locke ist Mühlrose der Ort, von dem er nie mehr weggehen wollte – seine Heimat.
Die Lausitz ist Siedlungsgebiet der Sorben. Rund 60 000 Angehörige dieser nationalen Minderheit leben in Brandenburg und Sachsen, mit eigener Sprache, eigener Kultur und eigenem Selbstbewusstsein. Wichtiges Bindeglied der Sorben ist der katholische Glaube; religiöse Feiertage sind die Höhepunkte des Jahres.
Franziska Bobke ist 15 Jahre alt. Für sie steht fest, dass sie die sorbischen Traditionen fortsetzen wird. Am Tag ihrer Firmung steht sie schon morgens um 5.00 Uhr im Wohnzimmer ihres Elternhauses, einem alten Gutshof in Crostwitz. Fast zwei Stunden dauert es, bis die sorbische Festtagstracht angezogen ist, mithilfe einer Ankleidefrau. Das ganze Dorf ist auf den Beinen. Die Trachtenschneiderin steckt noch die letzte Falte fest, die Pferdewirtin putzt die Kutsche und schmückt die Pferde. Die Männer reiten dem Bischof entgegen, um ihn gebührend im Dorf zu empfangen.
Für sie alle hier ist klar: Die Lausitz ist und bleibt ihre Heimat.