Der Vatikan und das Geld

Der Kirchenhistoriker Professor Dr. Hubert Wolf (Universität Münster) geht der Frage auf den Grund, was Papst Franziskus meint, wenn er von einer "armen Kirche für die Armen" spricht. Er erklärt auch, warum es so bemerkenswert ist, dass sich ein Papst erstmals Franz von Assisi als Namenspatron gewählt hat:

"Dass sich zum ersten Mal in der Geschichte der Kirche ein Papst Franziskus nennt, das klingt zunächst harmlos. Aber dahinter steckt viel mehr. Es steckt eigentlich eine ungeheure Provokation dahinter. Damit sind die beiden Grundlinien, die die Kirchengeschichte durchziehen und die immer miteinander gerungen haben, in dem Mann an der Spitze der Kirche zusammen gekommen. Die eine Linie ist: Die Kirche ist eine mächtige Institution. Sie braucht Geld um sich darstellen zu können und das Reich Gottes auf dieser Welt sichtbar zu machen. Auf der anderen Seite Franziskus: Der Arme von Assisi, der Jesus Christus nachfolgt, der keinen Platz hat, wohin er sein Haupt legen kann. Das ist ein ungeheuer spannender Prozess, der sich da abspielt, in der Person von Papst Franziskus und in seiner Kirche."

Der römische Journalist Marco Lillo hat sich mit den Immobilienbesitz des Vatikan in Rom befasst:

"Der Immobilienmarkt Roms wird durch den Vatikan beeinflusst, denn die Glücklichen, die in den Häusern leben, die der Kirche gehören, bezahlen oft weniger, als alle anderen auf dem freien Markt. Das ist der Grund, warum wir als Mieter dieser wunderschönen, alten Wohnungen im Zentrum Roms Minister und andere Politiker haben, aber auch Direktoren von Fernsehsendern und Berater der Regierung. Und es sind in fast allen Fällen genau die gleichen Menschen, die über die vergünstigten Steuersätze für die Immobilien zu entscheiden haben. Man kann hier also von einem Lobbyismus sprechen, wenn es um Immobilien des Vatikan geht."

Der italienische Journalist Gianluigi Nuzzi veröffentlichte 2009 in seinem Buch "Die Vatikan AG" bis dahin geheime Dokumente über die Machenschaften der Vatikanbank:

"Das IOR, die Vatikanbank, war immer eine geheime Bank gewesen, eine Offshore-Bank. Eine Bank, von der man nicht wusste, wer dort arbeitet, die Bilanzen nicht kannte, einfach nichts, Null. Aus den Dokumenten des Renato Dardozzi geht hervor, dass es in der Bank ein System von geheimen Girokonten gab. Diese Konten und Einlagen liefen auf nicht existierenden Namen und sogar Wohltätigkeitsorganisationen, die alle fingiert und nur vorgetäuscht waren. Natürlich standen aber real existierende Personen hinter diesen Decknamen. Die echten Inhaber der Konten waren Politiker, Industrielle und Berater. Dazu gehörten die mächtigsten Männer Italiens."

Der Historiker Stefan Weiß hat sich jahrelang damit beschäftigt, wie die Päpste zu Geld kamen und wie sie es wieder ausgegeben haben. Er berichtet über den Erfindungsreichtum der Päpste von Avignon, wenn es darum ging, die Kassen wieder zu füllen und über die Motivation der Päpste, ihren Reichtum zu mehren:

"Der Papst ist eben der Stellvertreter Christi, des mächtigsten Herrschers überhaupt, das muss dokumentiert werden, darum baut man sich einen solchen Palast hin, der alles überragt, darum braucht man Geld, Schmuck, darum braucht man kostbare Gegenstände, darum reitet man auf teuren Pferden, das ist einfach die Manifestation letztlich der Macht Gottes, die hier eben manifestiert wird, in einem sehr materiellen und einem sehr sichtbaren Sinne. Auch der Gläubige will sehen, dass eben Gott der mächtigste Herrscher der Welt ist, das muss dokumentiert werden."