Der Apokalypse-Code

Thomas Söding ist Professor für neutestamentliche Exegese an der Ruhr-Universität Bochum. Für den Schriftforscher lässt die Textanalyse am griechischen Original der Apokalypse eindeutige Rückschlüsse auf die Identität des Verfassers zu:

"Wer Johannes-Evangelium und Johannes-Apokalypse genau vergleicht, der sieht: Der Wortschatz ist unterschiedlich, der Satzbau ist unterschiedlich, man kann sich den ganzen Hintergrund anschauen, man kann sich vor allem das theologische Denksystem anschauen, und deswegen muss man ganz deutlich sagen: die Johannes-Apokalypse, die hat einen anderen Verfasser als das Johannes-Evangelium."

Manfred Lütz ist Leiter des Alexianer-Krankenhauses für psychisch Kranke in Köln. Das Interesse des Psychiaters konzentriert sich auf die im Apokalypsetext geschilderten Visionen:

"Wenn mir jemand sagen würde, jemand hat Visionen, dann würde ich mich zunächst mal nach der Lebensgeschichte erkundigen. Ob er einen Knick in der Lebenslinie hat, ob er plötzlich Kommunikationsprobleme gekriegt hat, ob er möglicherweise Drogen genommen hat oder Halluzinogene oder irgend so etwas - also ich würde mich zunächst einmal für die Lebensgeschichte von ihm interessieren."

Bildquelle: ZDF/Erik Schimschar

Elaine Pagels ist Professorin für Religionswissenschaften an der Princeton University. Die Historikerin stellt Verbindungen zwischen den visionären Sprachbildern und konkreten Ereignissen in der zweiten Hälfte des 1. Jahrhunderts her:

"Wahrscheinlich stehen die 'vier apokalyptischen Reiter' für das Krisenjahr 68/69, in dem vier Kaiser aufeinander folgten. Alle starben eines unnatürlichen Todes. Es gab Krieg, Hungersnot, Zerstörung, das ganze Römische Reich wurde von den Ereignissen erschüttert. Johannes benutzt dabei dieselben visionären Sprachbilder, die schon die Propheten des Alten Testaments verwendet haben. Aber er bezieht sie auf Ereignisse aus seiner Gegenwart. Und das müssen seine Leser auch so verstanden haben."

Es ging für mich darum, den Apokalypse-Text wie ein Archäologe zu betrachten. Also nicht wie ein Theologe oder ein Literaturwissenschaftler. Welche Fakten verbergen sich hinter der Vision des Johannes - das war meine Ausgangsfrage. Da es dazu bereits umfangreiche wissenschaftliche Untersuchungen gab, wusste ich, dass es genug zu entdecken geben würde. Auch zur Person des Autoren - Johannes von Patmos.

Selbst wenn man die Botschaft des Johannes im Licht der Ereignisse in der zweiten Hälfte des ersten Jahrhunderts sieht, bleibt sie die eines religiösen Fundamentalisten. Aber man kann die ungeheuren und auch unchristlichen Drohungen gegen Abweichler und Gegner besser einordnen, sofern man sie im Zusammenhang mit dem absolutistischen 'Kaiserkult' im Römischen Reich und der immer noch vorhandenen 'Naherwartung' in den frühchristlichen Gemeinden wahrnimmt. Ich verstehe Johannes jetzt besser. Seine rigorose Haltung teile ich deswegen aber noch immer nicht.

Unwägbarkeiten gibt es ja immer bei größeren Filmproduktionen. Mitarbeiter oder Gesprächspartner werden krank, Termine müssen verschoben werden. Aber was uns beim Studiodreh in Marokko widerfahren ist, darf als "Anomalie apokalyptischen Ausmaßes" gelten: Am 24.11.2014, dem Tag vor dem Abflug, sorgten sintflutartige Regenfälle dafür, dass die Strecke zwischen Marrakesch und den Studios in Ouarzazate unpassierbar wurde. Unsere Ausrüstung und das Team aus Casablanca steckten in Marrakesch fest. Da auch die Studios selbst von den Regenfällen betroffen waren, mussten wir Flug und Dreh um ganze vier Wochen verschieben.

Die Fragen stellte Michaela Pilters.

Sendedatum: Karfreitag, 3. April 2015, 19.30 Uhr

Buch und Regie: Friedrich Klütsch
Fachberater: Professor Thomas Söding, Ruhr-Universität Bochum
Kamera: Erik Schimschar, Ralf Gemmecke
Ton: Ralf Jakubski
Schnitt: Lodur Tettenborn, Media Atelier
CGI: Sandro Hölzel, Viscope-3D
Produktion: Andrea Haas-Blenske (IFAGE)
Produzent: Volker Schmidt, IFAGE Filmproduktion GmbH
Redaktion: Michaela Pilters, Martina Schönfeld
Online-Redaktion: Uschi Hansen