Eine ihrer letzten Reden als Bundeskanzlerin hielt sie am 3. Oktober 2021 in Halle zum Tag der Deutschen Einheit. Ihr erstes TV-Interview nach ihrem Ausscheiden aus dem Amt hat Angela Merkel nun Mitri Sirin gegeben für die Doku "Am Puls - Wie viel Einheit haben wir erreicht?"
Angela Merkels Festrede vor zwei Jahren in Halle hatten viele Beobachter als ihre persönlichste eingestuft, weil sie damals auch über ihre Erfahrungen in der DDR gesprochen hatte. Im ZDF-Interview sagt Angela Merkel dazu: "Ich hätte so eine persönliche Bemerkung in meiner Amtszeit, wenn es da nicht zum Ende hin gegangen wäre, wahrscheinlich nicht gemacht, weil ich mich immer als Kanzlerin aller Deutschen verstanden habe." Diese persönliche Bemerkung zu Ostdeutschland habe ihr aber gezeigt, dass "das Gespräch darüber auch immer wieder zu führen" ist.
Auf die Frage, wie es zu erklären sei, dass Angela Merkel als Kanzlerin viel Missmut aus dem Osten Deutschlands erfahren habe, sagt sie: "Es gab einen Teil der Menschen, die sehr wütend auf mich waren. Das hat begonnen während der Zeit, als der Euro in Schwierigkeiten kam." Die Lage habe sich dann polarisiert, "als sehr viele Flüchtlinge zu uns kamen". Doch es sei nicht die Mehrzahl der Menschen in den neuen Bundesländern gewesen, die sie "angeschrien" hätten, sondern "eine sehr radikale und auch laute und intolerante Gruppe." Es habe "etwas Bekümmerliches, dass "der Lauteste den letzten Eindruck hinterlässt" und die vielen Menschen, die sich gegen Intoleranz wehren, leiser seien und weniger zu Wort kämen.
"Unsere Stärke die Vielfalt"
Auf die Frage, ob es Ostdeutsche und Menschen mit Migrationsgeschichte verbinde, dass ihnen ihre Herkunft gelegentlich als Makel ausgelegt werde, sagt Angela Merkel: "Es verbindet Menschen immer, die eine Minderheiten-Biografie haben". Denn "es gibt eine Tendenz, den durchschnittlichen Lebenslauf für das Gegebene zu halten. Ich habe immer dafür plädiert, dass unsere Stärke die Vielfalt ist."
Auf die Frage, ob Deutschland bezogen auf die Deutsche Einheit eine neue Erzählung brauche, die Zugewanderte mit einschließe, sagt Angela Merkel: "Es braucht diese Erzählung, es brauchte sie schon immer." In den vergangenen Jahren seien viele Menschen hinzugekommen, "die dauerhaft in unserem Land leben und noch nicht immer hier gelebt haben." Es sei "wieder eine neue Aufgabe, dass wir sie mit aufnehmen. Deutschland umfasst alle."