Wirecard – der Name sorgte lange Zeit für strahlende Augen bei Investoren und Anlegern. Allerdings soll die Internetfirma jahrelang ihre Bilanzen gefälscht haben. Bei Wirecard fehlen insgesamt 1,9 Milliarden Euro, die der Konzern in seiner Jahresbilanz 2019 auf der Habenseite verbuchen wollte – das Ergebnis von Luftgeschäften. Ex-Wirecard Chef Markus Braun wurde mittlerweile verhaftet und der frühere Finanzchef des Konzerns, Jan Marsalek, befindet sich noch auf der Flucht. Ein echter Wirtschaftskrimi, den sueddeutsche.de hier noch einmal im Video erläutert. Eine ausführliche Schilderung des Falls hat das Handelsblatt zusammengetragen.
Wie weit der Wirecard-Mann Jan Marsalek bei seinen Inszenierungen zu gehen bereit war, ist im Anhang des Sonderberichts der Wirtschaftsprüfer von KPMG nachzulesen, der dem Manager Magazin vorliegt. Marsalek hatte es jahrelang geschafft, die Wirtschaftsprüfer von Ernst & Young zu täuschen, unter anderem mit Schauspielern, die er engagiert haben soll.
Dan McCrum ist Journalist bei der Financial Times. Er hat gemeinsam mit seinen Kollegen den größten Betrug der Dax-Geschichte aufgedeckt – unter anderem mit Hilfe von Whistleblowern. Auch der Redakteur selbst wurde von dem Konzern unter Druck gesetzt und bedroht. Die Geschichte dahinter sei filmreif, beschreibt das Medienmagazin Zapp.
Seit ein paar Tagen ist klar, dass es einen Untersuchungsausschuss zum Wirecard-Skandal geben wird. Thema dort wird unter anderem sein, welche Rolle das Finanzministerium und damit auch der Finanzminister und designierte Kanzlerkandidat Olaf Scholz in dem Fall gespielt haben. Der kämpft momentan nicht nur mit dem Fall Wirecard, sondern auch mit Altlasten der Cum-Ex-Affäre. Der Spiegel erläutert hier die Hintergründe.
Auch die BaFin, die Finanzaufsicht in Deutschland, hat sich im Fall Wirecard nicht mit Ruhm bekleckert. Die Initiative „Bürgerbewegung Finanzwende“, geleitet vom ehemaligen Grünen-Abgeordneten Gerhard Schick, fordert eine Neuaufstellung der Behörde: „Oftmals wird sie erst tätig, wenn andere die Fälle bereits aufgedeckt haben. Dort, wo sie mehr Befugnisse bräuchte, fordert die Behörde diese immer wieder erst ein, wenn es zu spät ist. Das muss sich ändern. Es braucht eine Verpflichtung der Finanzaufsicht, Hinweisen auf kriminelle Handlungen nachzugehen, selbst zu ermitteln und Beweise zu sichern. Beim Fachpersonal muss entsprechend aufgestockt werden.“
Auch die Bundeskanzlerin Angela Merkel steht im Fall Wirecard in der Kritik. Sie hatte bei einem Staatsbesuch in China vergangenes Jahr noch für Wirecard geworben, obwohl die Vorwürfe damals schon aus Medienberichten bekannt waren. Zuvor hatte unter anderem der ehemalige Minister Karl-Theodor zu Guttenberg im Kanzleramt für Wirecard lobbyiert.
Der Skandal um Wirecard ist ein Paradebeispiel dafür, was bei zu viel Lobbyeinfluss passieren kann. Auch deshalb fordern Politiker der Opposition schon lange eine ordentliche Dokumentation für solche Geschehnisse: ein Lobbyregister. Das soll jetzt zwar tatsächlich kommen, allerdings, kritisiert der Verein Lobbycontrol, dass das geplante Gesetz die Bundesregierung und die Ministerien davon ausnimmt. Auch in anderen Bereichen bleibe, so Lobbycontrol, der Entwurf leider deutlich hinter internationalen Standards zurück. Mehr hier.