Wir Deutsche sind stolz auf unsere Wurst. Doch der Ruf der Branche wird erneut durch einen Lebensmittelskandal erschüttert. Der Fleischverarbeiter Wilke aus Hessen musste geschlossen werden, nachdem drei Menschen an Bakterien gestorben sind, die durch Verunreinigungen bei der Herstellung in die Wurst gelangt sind. Die große öffentliche Aufmerksamkeit fördert immer mehr unappetitliche Details zu Tage. Die Hessenschau hat auf ihrer Internetseite eine Chronik der Ereignisse zusammengestellt.
Auf großes Unverständnis stößt das Verhalten der zuständigen Behörden. Bereits Ende August waren bei Wilke hygienische Mängel festgestellt worden, dennoch wurden dort weiter Wurstwaren produziert. Wie kann das sein? Das ZDF-Magazin Frontal 21 berichtet über die Ausmaße des Skandals. Die Autoren zeigen, wie Chancen vertan wurden, Wilke zu stoppen, und warum der Verbraucher so spät davon erfahren hat.
Einen viel zu geringen Verbraucherschutz selbst bei solch gravierenden Lebensmittelskandalen beklagt auch Foodwatch. Die Verbraucherschutzorganisation war maßgeblich an der Aufarbeitung des Skandals beteiligt und kritisiert die Arbeit der Behörden auf ihrer Homepage: „Statt alle für die Verbraucherinnen und Verbraucher wichtigen Informationen zu veröffentlichen, setzen die Behörden auf die Salami-Taktik. So hieß es im Rückruf vom 2. Oktober zunächst: Nur, wo die Marke „Wilke“ drauf steht, ist auch Wilke drin. Doch das ist falsch: Erst nachdem foodwatch recherchiert hatte, dass auch Handelsmarken (wie „Aro“ von Metro) von Wilke hergestellt wurden, bestätigten dies auch die Behörden.“ Foodwatch will mehr Transparenz für den Verbraucher und hat eine Liste mit allen Markennamen, unter denen Wilke-Wurst verkauft wurde, zusammengesellt.
100 Gramm Wurst für 80 Cent: Im Discounter sind solche Kampfpreise keine Seltenheit, denn der Kunde freut sich über kleine Preise. Wer da zugreift, darf selbstverständlich ein sicheres Produkt erwarten, bei der Qualität muss er aber Abstriche machen. Spiegel TV zeigt mit einem Lebensmittelkontrolleur und Metzgermeister, wie solche Preise möglich sind und wie eine Wurst hergestellt wird, die so billig ist.
Das alles macht deutlich: Wilke ist nicht etwa ein Einzelfall: Wir haben ein systematisches Problem in der Fleischverarbeitung. Erst diese Woche wurden neue Missstände aus nordrhein-westfälischen Schlachthöfen bekannt. Zwischen Juli und September wurden nahezu alle größeren Schlachtbetriebe (30 von insgesamt 34) in NRW in unangemeldeten Betriebsprüfungen kontrolliert. Obwohl erst 40 Prozent der Unterlagen ausgewertet wurden, seien bereits etwa 3.000 Arbeitszeitverstöße, 900 Verstöße gegen arbeitsmedizinische Vorschriften und 100 technische Arbeitsschutzmängel mit teilweise hohem Gefährdungspotenzial ermittelt worden, berichtet die Neue Westfälische.