Verteidigungsministerin Christine Lambrecht ist unsere erste Preisträgerin bei der diesjährigen Verleihung des Goldenen Vollpfostens 2022. Ob Munitionsbeschaffung, Tarnkappenbomber F‑35 oder Patriot-Flugabwehrsysteme – überall hakte es im Verteidigungsministerium. Relativ schnell wuchsen die Zweifel, ob Lambrecht dem Amt der Verteidigungsministerin überhaupt gewachsen sei, schreibt das Redaktionsnetzwerk Deutschland: „Die Zeitenwende sei zwar bei den Soldaten, aber noch nicht in der Führungsebene des Ministeriums angekommen, heißt es.“ Auch die Wirtschaftswoche schreibt von der aktuellen Verteidigungsministerin als „Belastung der Regierung“. Der Text erinnert daran, dass Lambrecht den Job eigentlich gar nicht machen und stattdessen ursprünglich Innenministerin werden wollte. Es folgten Negativschlagzeilen rund um ein Reisefoto ihres Sohnes aus einem Bundeswehr-Hubschrauber.
Die ZDF heute-show verleiht dem „deutschen Fußball“ ebenfalls einen Vollpfosten. Begründung: „Nicht wegen irgendwelcher One Love-Binden, sondern weil wir keine Verteidiger mehr haben“. „Es fehlen geeignete Abwehrspieler von internationaler Klasse“, sagt auch der Fußballexperte Dietrich Schulze-Marmeling im Deutschlandfunk als Bilanz zur gescheiterten WM in Katar. „Wir haben da ganz offensichtlich auch ein Auswahlproblem.“ Problematisch sei einfach, dass die Balance in der Mannschaft nicht stimme, hob Schulze-Marmeling hervor. Man habe nicht in allen Mannschaftsteilen die individuelle Klasse. Erschwerend kam bei dieser WM noch hinzu, dass die Zeit zum Einspielen sehr kurz gewesen sei.
Auch die Stadt Berlin darf sich über einen Vollpfosten freuen – wegen fehlender Wahlzettel, geschätzter Ergebnisse und allgemeiner Unfähigkeit. Da ist beispielsweise die Wahl zum Abgeordnetenhaus, die komplett wiederholt werden muss. Was ging dem voraus? Am 26. September 2021 waren in Berlin neben dem Abgeordnetenhaus auch der Bundestag und die zwölf Bezirksparlamente neu gewählt worden. Hinzu kam ein Volksentscheid zur Enteignung großer Wohnungskonzerne. Nebenher lief außerdem der Berlin-Marathon. Folge dieser Ballung und schlechter Vorbereitung waren massive Probleme, etwa falsche oder fehlende Stimmzettel und zu wenige Wahlurnen, beschreibt das Nachrichtenportal t-online. Der Tagesspiegel fasst zudem das Dilemma der Hauptstadt zusammen: Berlin mache es einem auch sonst nicht immer leicht. Ständig sei man auf der Suche nach irgendwas, egal ob Wohnung, Kitaplatz oder Arzttermin. Bei jedem Gang vor die Tür habe man das Gefühl, die Stadt sei zu klein für so viele Menschen, und frage sich doch, warum man von einem in den anderen Stadtteil 40 Minuten braucht.
Und dann gibt es noch einen Vollpfosten für unsere Regierung, die Ampel, und zwar speziell dafür: „Dass sie es nicht schafft, die einzige Klimaschutzmaßnahme einzuführen, die nichts kostet. Das Tempolimit mit der Begründung: zu wenig Verkehrsschilder“. Fakt ist: Insgesamt hat Deutschland 2019 laut Umweltbundesamt 810 Millionen Tonnen Treibhausgase verursacht, berichtet der BR. Auf den Verkehrssektor entfielen rund 165 Mio. Tonnen – etwa genauso viele wie im Jahr 1990. Der Verkehrssektor ist damit drittgrößter Verursacher von Treibhausgasemissionen in Deutschland, hinter der Energiewirtschaft und der Industrie. Rund 86 Prozent der Emissionen im Verkehrssektor entstehen auf Straßen, etwa ein Viertel auf den Autobahnen. Durch ein flächendeckendes Tempolimit von 130 km/h könnte – einer Studie des Umweltbundesamtes (UBA) aus dem Jahr 2020 zufolge – der Treibhausgasausstoß auf jährlich um 1,9 Millionen Tonnen sinken. Deutschland ist eines der wenigen Länder, das kein allgemeines Tempolimit hat.
Die Debatte um „Winnetou“ war so bekloppt, dass es auch dafür einen heute-show Vollpfosten geben muss. Dabei wollte niemand die Karl May-Bücher oder Filme verbieten – auch wenn wochenlange Aufregung „an bayrischen Lagerfeuern“ etwas anderes suggerierten. Vorausgegangen war der Debatte eine Entscheidung des Ravensburger Verlages: Die Verantwortlichen hatten das Kinderbuch zu einem neuen Winnetou-Film nach Kritik vom Markt genommen. Die ZEIT sah in der ganzen unnötigen Aufregung die „intellektuelle Faulheit deutscher Diskussionskultur“.
Der nächste Vollpfosten geht an Gloria von Thurn und Taxis. Warum ausgerechnet an sie? Immer wieder sorgt die Fürstin für Aufruhr mit ihren verqueren Ansichten. Wie zuletzt, als sie im YouTube-Gespräch mit Ex-BILD-Chef Julian Reichelt die Verfolgung von queeren Menschen im Nahen Osten verharmloste. Ihre Worte: „Im Nahen Osten gibt es genauso viele Schwule wie bei uns. Nur, das sind halt anständige Leute, die aus religiösen Gründen ihr Schlafzimmer und ihre Sexualität etwas diskret behandeln. So wie anständige Leute bei uns auch.“ Und auch über die One Love-Binde ließ sich Gloria von Thurn und Taxis im Gespräch, das im Zuge der WM in Katar geführt wurde, aus: „Und wenn schon Armbinde, wenn es unbedingt sein muss, dann würde ich sagen, soll derjenige die Armbinde tragen, der unbedingt seine tierischen Instinkte ausleben will, damit man sieht: 'Aha, der will Sex'.“ Schon im Jahr 2021 berichtete der SPIEGEL über ihre Wandlung vom „Paradiesvogel zum Idol der Rechten“.
Elon Musk darf sich ebenfalls über einen Goldenen Vollpfosten freuen. Der Neu-Twitterbesitzer bekommt den Preis, weil „unter ihm Twitter wieder deutlich mehr Hatespeech zulässt“. Insbesondere – so das Center for Countering Digital Hate – ist der tägliche Gebrauch des N-Wortes unter Musk dreimal so hoch wie zuvor und die Verwendung von Beleidigungen gegen schwule Männer und Transpersonen um 58 Prozent bzw. 62 Prozent gestiegen. Musk ist für uns „ein irrer Verschwörungstheoretiker und Medienmogul, der mit eigenen Raketen ins All fliegt, kurz gesagt, Musk ist tatsächlich ein realer Bond-Bösewicht“. Oder wie es das Handelsblatt in einem Kommentar formuliert: „Jetzt zeigt sich: Twitter ist für ihn vor allem eine Möglichkeit, ökonomische Macht in politische Macht zu übersetzen. Musk hat vor der wichtigen Zwischenwahl vor zwei Wochen dazu aufgerufen, die Republikaner zu wählen. Jetzt gibt er Trump ein digitales Megafon. Das macht ihn zu einem gewaltigen Machtfaktor für die US-Präsidentschaftswahl 2024.“