Um sich vor dem Coronavirus zu schützen, fahren immer weniger Leute mit Bussen oder Bahnen. Das Fahrrad erlebt einen Boom. Problem: Die wenigsten deutschen Städte haben eine gute Fahrradinfrastruktur – die Autos dominieren. Einige europäische Nachbarn gehen derzeit mit gutem Beispiel voran: Paris etwa investiert 300 Millionen Euro in Radwege, London macht große Teile der Innenstadt autofrei und in Brüssel gilt seit Mai Tempo 20 für Autos. Die neuen Regeln sind noch in der Testphase, nach drei Monaten soll evaluiert werden. Dann aber, so schreibt die Zeit, könnte das, was jetzt als Verkehrsrevolution bezeichnet wird, zum Dauerzustand werden, unabhängig von Corona-Zeiten.
Fahrradfahren in Deutschland ist gefährlich: Während die Zahl der Verkehrstoten bei uns im vergangenen Jahr gesunken ist, stieg die Zahl der getöteten Radfahrerinnen und Radfahrer an. Das liegt auch an einer schlechten Verkehrsführung und verstopften Straßen. In vielen Städten wie Berlin oder Köln haben Autos immer noch Vorfahrt. Hinzu kommt ein stetig wachsender Lieferverkehr. Eine 3sat-Reportage befasst sich mit Alternativen zum Auto in unseren Städten.
Ob der Rad-Boom der Corona-Krise nachhaltig ist, lasse sich schwer sagen, schreibt Spiegel Online und verweist auf die Debatte über eine Abwrackprämie für Autos. Fahrrad-Verbände wollen sie erweitern auf eine „Mobilitätsprämie“, die „auch für Fahrräder, E-Bikes und für öffentliche Verkehrsmittel nutzbar sein“ soll.
Vor Corona ging es mit der Verkehrswende zäh voran – jetzt läuft es ungewöhnlich schnell und unbürokratisch – zumindest in Berlin, berichtet der rbb: In der Hauptstadt gibt es jetzt genannte Pop-Up-Bikelanes, also temporäre Fahrradwege. Der ADAC kritisiert die Landesregierung prompt für ihr Engagement und sieht „einseitige politische Motive“: „Der Senat nutzt eine Notsituation aus, um Partikularinteressen zu verfolgen. Das ist alles andere als sachgerecht“, sagt Volker Krane, Verkehrsvorstand des ADAC Berlin-Brandenburg.
Der ADFC, ein Interessensverband der Fahrradfahrenden, ruft Kommunen auf, jetzt schnell zu handeln und die Infrastruktur in den Städten umzugestalten. Über das Klimapaket der Bundesregierung könnten Städte und Kommunen etwa Finanzmittel abrufen, um die temporäre Infrastruktur „qualitativ hochwertig“ und dauerhaft zu installieren.
Bei einem Unfall mit einem rechtsabbiegenden Lastwagen ist vor ein paar Tagen in der Kölner Innenstadt eine Radfahrerin getötet worden. Durchschnittlich 3200 Kollisionen von Lastwagen und Radfahrern gibt es pro Jahr, hat die Unfallforschung der Versicherer (UDV) ermittelt. Dabei sterben im Schnitt 70 Radfahrerinnen und Radfahrer, ein Drittel bei sogenannten Abbiegeunfällen. Abhilfe würde ein Abbiegeassistent schaffen: Das System warnt LKW-Fahrer vor Objekten rechts neben dem Fahrzeug. Doch die deutsche Politik setzte dabei zu lange auf Freiwilligkeit und wartet auf ein EU-weites Gesetz, berichtet Report München.
Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer verschärfte jüngst die Regeln zu Fahrverboten für Raser. Jetzt will er sie aber wieder zurücknehmen, angesichts von Protesten unter anderem des ADAC und der FDP. Der CSU-Politiker nannte die seit Ende April geltende Bestimmung „unverhältnismäßig“. Konkret geht es darum, dass nun schon ein Monat Fahrverbot droht, wenn man innerorts 21 Kilometer pro Stunde zu schnell fährt oder außerorts 26 km/h. Die Frankfurter Rundschau hat für Scheuers Kehrtwende kein Verständnis: „Eine Geschwindigkeitsbeschränkung erhöht die Sicherheit. Läuft ein Kind über die Straße, beträgt der Bremsweg bei 30 Stundenkilometern neun Meter. Das gleiche Auto mit 50 Sachen braucht 25 Meter. Jeder Stundenkilometer mehr macht aus einem erschrockenen Kind eher ein angefahrenes Kind.“