Die Situation um den deutschen Arbeits- und Rentenmarkt wird sich bald weiter verschärfen: Bis zum Jahr 2035 werden rund sieben Millionen Arbeitskräfte in Rente gehen, so eine aktuelle Untersuchung des Nürnberger Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Hintergrund ist hauptsächlich, dass viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der sogenannten „Baby-Boomer“-Jahrgänge bald in Rente gehen – und dann auf dem Arbeitsmarkt fehlen. Diese Jahrgänge werden so genannt, da in der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg besonders viele Kinder geboren wurden. Etwa 1,2 Millionen pro Jahr. 2005 waren es nicht einmal 700.000.
2025 beginnt die Verrentung der sogenannten „Boomer“ und ab dann wird es eng in der Rentenkasse. Was tun? Eine Forderung, die immer wieder kommt: länger arbeiten. So hat sich etwa der Präsident des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall, Stefan Wolf, für eine schrittweise Anhebung des Renteneintrittsalters auf 70 Jahre ausgesprochen. „Schaut man sich die demografische Entwicklung und die Belastungen der Sozial- und Rentenkassen an, dann sind die Reserven aufgebraucht. Wir werden länger und mehr arbeiten müssen“, sagte Wolf den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Mit dem Thema „immer länger Arbeiten“ hat sich auch eine Reportage des Bayerischen Rundfunks beschäftigt. Das Team begleitete Menschen, die lange hart gearbeitet haben – wie Dieter Ehrenfels, der über 44 Jahren auf dem Bau malocht hat.
Wie sehr unser Rentensystem jetzt schon unter Druck steht, zeigen Zahlen von Statista auf Basis von Daten des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung: Derzeit stehen einem Altersrentner 1,8 Beitragszahlende gegenüber. Anfang der 1960er Jahre war das Verhältnis noch solider: Damals kamen auf einen Altersrentner sechs aktiv versicherte Erwerbspersonen.
Wie bereits thematisiert – eine mögliche Lösung läge in einer längeren Arbeitszeit. Nur im Moment tritt eher das Gegenteil ein. Die Rente mit 63 Jahren boomt. Allein im vergangenen Jahr sind 269.000 Menschen abschlagsfrei in Rente gegangen, so aktuelle Zahlen der Deutschen Rentenversicherung. Das waren 26,3 Prozent aller neuen Renten und der höchste Anteil seit 2015. Eingeführt wurde diese Regelung im Jahr 2014 von der damaligen Arbeitsministerin Andreas Nahles (SPD).
Mehr als die Hälfte der deutschen Arbeitnehmenden würde am liebsten mit 62 Jahren oder früher mit dem Job aufhören. Laut einer aktuellen Umfrage wollen nur 10,7 Prozent der Deutschen bis 67 oder länger arbeiten.
Der Fachkräftemangel lässt sich besser bekämpfen als mit einem späteren Renteneintritt – das meint zumindest Marcel Fratzscher vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. Er sagt: Die Regierung muss endlich die Hürden für Frauen auf dem Arbeitsmarkt aus dem Weg räumen und damit einen Gewinn für unsere Sozialsysteme schaffen. „Obwohl die Erwerbsquote von Frauen in Deutschland seit den Neunzigerjahren stetig gestiegen ist, arbeitet die Mehrheit der Frauen auch heute noch in Teilzeit. Nur etwa 35 Prozent der Frauen im erwerbstätigen Alter arbeiten in Vollzeit, im Vergleich zu fast 70 Prozent der Männer.“ Die noch immer völlig unzureichende Infrastruktur bei Kitas und Schulen trage ebenfalls dazu bei, dass Frauen ihr Erwerbspotenzial nicht ausschöpfen können.
In 15 Jahren wird etwa jeder fünfte Neurentner in Armut leben, bei den Frauen wird es sogar jede Dritte sein, so eine Bertelsmann-Studie. Die Kulturwissenschaftlerin Irene Götz dazu: „Viele gehen ja noch davon aus, dass in einem reichen Land wie Deutschland Altersarmut ein Randphänomen ist. Dabei geht die Altersarmut bis in die Mittelschichten hinein.“
Auch junge Leute sind wütend und enttäuscht – ob bei ihnen der sogenannte Generationenvertrag noch greifen wird, ist zum jetzigen Stand unklar. Eine ZDF-Zoom Reportage begleitet drei Jugendliche, spricht mit ihnen über die Altersvorsorge. Gemeinsam besuchen sie einen Rentner, der trotz viel und harter Arbeit heute in Armut lebt.
Im Ampel-Koalitionsvertrag aus dem Jahr 2021 sticht in Sachen Rente vor allem ein Satz hervor: „Es wird keine Rentenkürzungen und keine Anhebung des gesetzlichen Renteneintrittsalters geben.“
Eine Lösung für das Renten-Dilemma besteht laut der Bundesregierung in der Aktienrente. Die Aktienrente ist eine Form der Altersvorsorge, bei der ein Teil der Rentenversicherungsbeiträge in Aktienfonds investiert wird. Die Aktienrente soll der Startschuss für eine zusätzliche Kapitaldeckung des Systems sein – für den Start sind bislang zehn Milliarden Euro eingeplant. Dafür eingesetzt hatte sich vor allem die FDP.
Rettet oder verzockt die Ampel damit unsere Rente? ZDF ZoomIn hat für einen Beitrag mit Befürwortern und Gegnerinnen, wie der Präsidentin des Sozialverbands VDK, gesprochen.
Diese Art von Rentensystem ist beispielsweise in Schweden bereits üblich – und erfolgreich. Dort existiert das Modell schon seit gut zwanzig Jahren. Der Fonds, der von einem kleinen Team der Rentenbehörde verwaltet wird, hält ein Anlagevermögen von umgerechnet 85 Milliarden Euro. Im Schnitt hat der Fonds bisher eine jährliche – sehr gute - Rendite von 11 Prozent erzielt.