63 Prozent der Menschen in Deutschland, die sich bislang noch nicht haben impfen lassen, wollen das auch in Zukunft nicht nachholen. Das geht aus einer aktuellen Befragung des Meinungsforschungsinstitutes INSA für die „Bild am Sonntag“ hervor. 20 Prozent gaben an, sich noch impfen lassen zu wollen, 17 Prozent antworteten mit „weiß nicht/ keine Angabe“.
Etwa zwei Drittel aller erwachsenen ungeimpften Wählerinnen und Wähler in Deutschland votieren laut einer Umfrage des Forsa-Instituts für Parteien aus dem rechten politischen Spektrum. Demnach haben 50 Prozent der ungeimpften Wählerinnen und Wähler bei der Bundestagswahl im September ihr Kreuz bei der AfD gemacht.
Klar ist: Nicht jeder Ungeimpfte ist ein so genannter Querdenker. Sicher ist jedoch, dass mit der Debatte um die Impfpflicht sich auch die „Querdenker“-Szene weiter radikalisiert. Die Sozialpsychologin Pia Lamberty fürchtet bei einer Impfpflicht, dass Proteste noch mehr in Gewalt umschlagen. Die Anhängerinnen und Anhänger von Verschwörungstheorien glaubten, „dass da das absolut Böse erschaffen wird. Es ist nicht eine schlechte Regierung, Lobbyismus, Missmanagement, es ist das absolut Böse - beispielsweise eine Regierung, die eine Impfung verabreichen will, die angeblich tödlich ist.“
Interessant zu beobachten: Während laut einer aktuellen Studie nicht wenige Protestlerinnen und Protestler aus Baden-Württemberg ihre Wurzeln im linksalternativen Milieu haben, ist die Szene in Sachsen indes stark von Rechtsextremen unterwandert. In Sachsen seien die Proteste stärker von der extremen Rechten geprägt und trügen deutlich weniger esoterische Züge, heißt es in der Untersuchung der Universität Basel.
Der Kommentator der FAZ schreibt über die Radikalisierung einiger Menschen in Sachsen: „Die Grenzen der Meinungsfreiheit sind im Freistaat längst in vielen Fällen überschritten. Woche für Woche marschieren Verschwörungsgläubige und Rechtsextreme in dem Land mit der niedrigsten Impfquote in einschüchternder Manier an vielen Orten auf – ohne Beachtung der Corona-Regeln und unbehelligt von der Polizei.“
Rund um das Coronavirus und die Impfung werden im Netz zahlreiche Falschinformationen und Halbwahrheiten verbreitet. Das Team vom CORRECTIV.Faktencheck untersucht solche kursierenden Berichte regelmäßig hier. So zeigen sie etwa hier, wie sich im Netz der Screenshot eines angeblichen „Spiegel“-Artikels verbreitet. Darin heißt es, Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer habe Gewalt gegen „Coronaleugner“ gefordert. Der Artikel ist jedoch eine Fälschung, die Nachricht frei erfunden.
Telegram spielt eine wichtige Rolle bei der Verbreitung des oftmals kruden Gedankengutes. Telegram ist ein Messengerdienst, auf dem Nutzer:innen Nachrichten hin- und herschreiben können – ähnlich dem zum Facebook/Meta-Konzern gehörenden Chatdienst Whatsapp. Viele Rechte und Querdenker nutzen den Kanal. Der MDR weiß: Das Besondere an Telegram seien die öffentlich einsehbaren Gruppen, in denen es keinerlei Regulierung gebe – anders als etwa bei Facebook, das inzwischen gegen Hasskommentare vorgehe. Lediglich islamistische Gruppen werden seit ein paar Jahren gelöscht. Eine Klarnamenpflicht gebe es ebenfalls nicht. All das macht den Messengerdienst für viele Gruppen so interessant.
Auch Sascha Lobo befasst sich in seiner Spiegel-Kolumne mit dem fragwürdigen Dienst. Er notiert: „Gruppen können bis zu 200.000 Mitglieder haben, bei Kanälen existiert, anders als etwa bei WhatsApp, keine Begrenzung der Größe. Gleichzeitig kann man anhand der Verlinkungen leicht von Gruppe zu Gruppe springen, jeder Klick führt dann tiefer in die Vernetzung der Communities untereinander hinein – der Beginn des sogenannten Rabbit-Hole-Effekts, mit dem man sich im weit verzweigten Höhlenbau der sozialen Medien verlieren kann.“
Die Macher hinter Telegram ignorieren bislang, laut SZ, wohl alle Kontaktversuche deutscher Behörden. Die versuchen wohl seit Monaten die Firma dazu zu bringen, sich an deutsche Gesetze zu halten.
Zunehmend geraten derzeit (Kommunal-)Politikerinnen- und Politiker ins Visier von radikalisierten Impfgegnern. Frontal 21 hat sich in einer Undercover-Recherche genauer angeschaut, welche Umsturzpläne es dort gibt. Sie stießen in ihrer Recherche auf Mordpläne gegen Michael Kretschmer, den sächsischen Ministerpräsidenten. Der Administrator der Gruppe schreibt dort: „Bei dem Typen einmarschieren, den Typen dort rausziehen und irgendwo aufhängen." Ein Dritter, Thomas D., kommentiert: „Da muss man sich entscheiden, ist man bereit für so ein Opfer.“
Auch Journalisten werden zunehmend attackiert. Ein Reporter des Berliner „Tagesspiegels“ etwa wurde nach Angaben der Zeitung in Berlin von einer Gruppe Corona-Skeptiker angegriffen. Laut einem Vertreter der Gewerkschaft Verdi kam es auch auf einen Angriff gegen eine Journalistin. Sie soll zu Boden geworfen worden sein und anschließend von einer Gruppe getreten worden.