Nahrungsergänzungsmittel boomen in Deutschland – nicht erst seit der Corona-Pandemie. 225 Millionen Packungen Nahrungsergänzungsmittel wurden in Deutschland im Jahr 2018 verkauft, der Umsatz der Branche ist auf 1,44 Milliarden Euro gestiegen. Etwa jeder dritte Deutsche nimmt zusätzlich zum Essen Nahrungsergänzungsmittel ein. Über den Milliardenmarkt Gesundheitspille berichtet die ZDF Dokumentationsreihe planet.e.
Fitter, gesunder, muskulöser? Nahrungsergänzungsmittel sind bei weitem keine Wundermittel. Zwei Videos der Verbraucherzentralen räumen am Beispiel von Gelenkmitteln, Sportler- und Anti-Aging-Produkten mit typischen Irrtümern über den Nutzen solcher Mittel auf.
Immer wieder werden verschiedene Vitamine als Lösung für gesundheitliche Probleme aller Art präsentiert. So behaupteten etwa jüngst eine Reihe von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, Ärztinnen und Ärzten, dass Vitamin-D-Gaben die Gefahr einer Covid-19-Erkrankung deutlich senken könnte. Der Faktenfinder der Tagesschau weiß allerdings: „Auch wenn die kontrollierte Einnahme unter bestimmten Bedingungen das Immunsystem stärken kann, gibt es für die Behauptung, dass Vitamin D gegen Covid-19 schützt, keine seriösen Belege. Sowohl das Bundesamt für Risikobewertungen wie auch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung weisen darauf hin, dass die aktuelle Studienlage hierfür keine Hinweise liefert.“ Was überdies dran ist am vielbeschworenen Mythos „Vitamin D-Mangel“ erklärt die Wissenschaftlerin Mai Thi Nguyen-Kim hier anschaulich in ihrem Youtube-Channel.
Die (überdosierte) Einnahme von Eisen- und Vitaminpräparaten oder anderen Nahrungsergänzungsmitteln kann sogar gesundheitsschädliche Nebenwirkungen haben: So können etwa Antioxidantien wie Vitamin C und E Sport weniger effektiv machen. Die jahrelange hochdosierte Einnahme von Vitamin B6 wiederum kann sogar das Lungenkrebsrisiko bei Männern erhöhen, berichtet der NDR. Und laut aktueller Studien könne auch ein zu hoher Vitamin-B12-Spiegel im Blut mit einem erhöhten Lungenkrebsrisiko einhergehen. Denn - B12 ist für alle Zellen ein wichtiger Wachstumsfaktor - und das gilt auch für Krebszellen. Das Vitamin löst dabei nicht direkt Krebs aus, kann aber die Entwicklung unerkannter Krebsvorstufen im Körper beschleunigen.
In Deutschland gelten Nahrungsergänzungsmittel laut Gesetz als Lebensmittel. Das bedeutet konkret: Eben weil die Vitaminpräparate aus rechtlicher Sicht als Lebensmittel gelten, müssen sie kein Zulassungsverfahren durchlaufen und kommen damit ohne behördliche Prüfung von Sicherheit, Qualität und Wirksamkeit auf den Markt, weiß die Verbraucherzentrale. Mehr Infos und Beispiele zum Thema finden sich auf deren Seite „Klartext Nahrungsergänzungsmittel“.
Verbraucherschützerinnen und Verbraucherschützer, Politikerinnen und Politiker der Opposition fordern immer wieder eine schärfere Regulierung dieser Mittel. Die Grünen etwa wollen „national festgelegte Höchstmengen für Vitamine und Mineralien in Nahrungsergänzungsmitteln, eine Positivliste für zugesetzte Stoffe, eine Meldestelle für Wechsel- und Nebenwirkungen und verpflichtende Warnhinweise bei Wechselwirkungen“. Ähnlich argumentiert die Verbraucherzentrale. Sie verlangt etwa, Nahrungsergänzungsmittel vor dem ersten Inverkehrbringen auf ihre Sicherheit, die Kennzeichnung und die Werbeaussagen zu überprüfen.
Cannabidiol-haltige (CBD) Lebensmittel liegen zurzeit im Trend. Sie sollen angstlösend und entzündungshemmend wirken. In Deutschland unterliegt Cannabidiol seit vier Jahren der Verschreibungspflicht. Trotzdem kann es als Nahrungsergänzungsmittel oder Kosmetikartikel verkauft werden, solange der THC-Gehalt in den Produkten unter 0,2 Prozent liegt. Allerdings gibt es für die Wirkung von CBD-Ölen kaum seriöse Belege. Stiftung Warentest testete neulich CBD-Produkte und fand „für Produkte mit Cannabidiol keine Beweise und Studien, die methodisch überzeugten.“ Fundierte Belege gäbe es nur für einige wenige zugelassene Medikamente.