Seit Monaten macht Kardinal Rainer Maria Woelki Negativ-Schlagzeilen. Der Erzbischof von Köln steht in der Kritik, weil er ein Gutachten, das er selbst beauftragt hat, zurückhält. Dieses Papier untersucht, wie Verantwortungsträger des Erzbistums in der Vergangenheit reagiert haben, wenn Priester des sexuellen Missbrauchs von Kindern beschuldigt wurden. Das Gutachten hat die renommierte Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl erstellt. Woelki möchte es jedoch nicht öffentlich machen - er begründet das unter anderem mit rechtlichen Bedenken. Das ZDF hat hier eine Übersicht erstellt.
Der Jurist Ulrich Wastl war von Kardinal Woelki beauftragt worden, den Umgang mit Missbrauchsfällen im Erzbistum Köln zu untersuchen. Im Gespräch mit der Zeit wehrt sich der Anwalt aktuell gegen die Vorwürfe von Woelki, unsauber gearbeitet zu haben. Den Widerstand gegen die Aufarbeitung sexualisierter Gewalt sieht Wastl auch in der persönlichen Verstrickung von Verantwortungsträgern der katholischen Kirche begründet. „Der Reflex, die Institution schützen zu wollen, und das Bedürfnis nach Selbstschutz gehen oft Hand in Hand.“
Woelki steht zudem im Verdacht, einen mutmaßlichen Fall von sexuellem Missbrauch vertuscht zu haben. Darum geht es: Dem mittlerweile verstorbenen Pfarrer Johannes O. wird vorgeworfen, Ende der 1970er Jahre einen Jungen im Kindergartenalter missbraucht zu haben. Kirchenrechtlich hätte Woelkis Vorgänger, der damalige Kölner Erzbischof Joachim Meisner, den Fall 2011 dem Vatikan melden müssen. Dies tat er nicht. Woelki – seit 2014 Erzbischof von Köln – entschied sich ebenfalls, den Fall nicht nach Rom zu melden. Eine Begründung dafür war der schlechte gesundheitliche Zustand des mutmaßlichen Täters. Woelki soll dem Pfarrer seit seiner Studentenzeit eng verbunden gewesen sein und hielt laut einem Bericht des Kölner Stadt-Anzeigers bei dessen Beerdigung die Trauerrede.
Der Deutschlandfunk hat über das Verhalten Woelkis mit dem Chefredakteur der Katholischen Nachrichtenagentur Ludwig Ring-Eifel und Joachim Frank, Chefkorrespondent unter anderem beim Kölner Stadt-Anzeiger, gesprochen. Sie bewerten den Verdachtsfall und die angeblichen Vertuschungen Woelkis unterschiedlich. Frank etwa sieht in einem Rücktritt des Kardinals, „ein notwendiges Zeichen der Reinigung“. Dadurch ändere sich nicht gleich ein System, aber ein Rücktritt sei die Voraussetzung für einen Neubeginn.
Erzbischof Woelki hat sich vor kurzem selbst zu Wort gemeldet. In einem Interview mit der Kölnischen Rundschau sagt er: „Wir haben Fehler gemacht, wir haben Vertrauen verspielt, ich verstehe die Ungeduld“. Zum Fall des Pfarrers O., bei dem das Erzbistum schweren Vorwürfen nicht nachgegangen war, sagte Woelki indes: „Ich habe mein Gewissen geprüft, und ich bin persönlich der Überzeugung, dass ich mich korrekt verhalten habe. Aber auf meine Einschätzung kommt es nicht an: Professor Gercke untersucht den Fall.“ Der vom Erzbischof neu beauftragte Strafrechtler Björn Gercke soll am 18. März ein Gutachten über das Verhalten der Bistumsverantwortlichen vorlegen.
Der frühere Sprecher vom Betroffenenbeirat im Erzbistum Köln, Patrick Bauer, ist enttäuscht über die Worte, die Woelki in dem Zeitungsinterview gefunden habe. "Es gehe um das Wohl der Betroffenen" - das erinnere ihn an Worte von Tätern, die auch immer nur vom Wohl der betroffenen Kinder sprächen, berichtet der WDR. Auch viele andere haben sich in letzter Zeit für den Rückzug Woelkis ausgesprochen. Darunter Laienvertreter wie die Frauen der Reformbewegung Maria 2.0., aber auch führende Kleriker wie der Kölner Stadtdechant Robert Kleine.
Beim Kölner Amtsgericht gibt es derzeit vorläufig keine Termine mehr für Kirchenaustritte. Bis Ende April ist alles ausgebucht und die Termine für Mai werden erst am 1. März frei geschaltet. Ob dies tatsächlich auf das Verhalten von Woelki direkt zurückzuführen ist, bleibt offen. Die Wut vieler Katholiken in Köln lässt sich aber nicht verleugnen, berichtet ZDF heute.