Die Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht hat vor ein paar Tagen im Bundestag der Bundesregierung einen „Wirtschaftskrieg“ gegen Russland vorgeworfen. Wagenknecht in ihrer Rede im Wortlaut: „Das größte Problem ist Ihre grandiose Idee, einen beispiellosen Wirtschaftskrieg gegen unseren wichtigsten Energielieferanten vom Zaun zu brechen.“ Der Tagesspiegel berichtet, dass Wagenknecht für ihre Rede zwar Applaus aus den eigenen Reihen bekommen habe. Allerdings seien auch einige Linken-Abgeordnete nicht im Saal gewesen. So offenbar der Ex-Parteichef Bernd Riexinger, der twitterte: „Es gibt keinen ,Wirtschaftskrieg gegen Russland’. Russland führt Krieg gegen die Ukraine. Es darf niemals einen Zweifel geben, auf welcher Seite die Linke steht.“ Die AfD applaudierte nach Wagenknechts Rede: „Sie haben recht!“ rief AfD-Fraktionschefin Alice Weidel begeistert.
Der Vorsitzende der Linksfraktion Dietmar Bartsch sagte mit Blick auf die Rede, er habe Wagenknechts anfängliche Beschreibung der schwierigen wirtschaftlichen und sozialen Lage „durchaus zutreffend“ gefunden. „Im weiteren Verlauf gab es Stellen, die ich so nicht gesagt hätte, die ich kritisiere. Es ist aber nicht Aufgabe des Fraktionsvorsitzenden, öffentlich Reden zu benoten.“ Dass er nach der Rede Wagenknechts geklatscht habe, sei „ein Gebot der Höflichkeit“ gewesen, „keine Bewertung“.
Seit Wagenknechts Rede hagelt es Angriff und Gegenangriff, Austritte und Vorwürfe. Partei und Fraktion seien im Ausnahmezustand, beschreibt die taz. Die Linke verliert derzeit innerhalb kürzester Zeit prominente Köpfe: Vergangene Woche gab der frühere Europa- und Bundestagsabgeordnete und profilierte Finanzexperte Fabio de Masi seinen Austritt aus der Partei bekannt. Einen Tag zuvor hatte der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands, Ulrich Schneider, seinen Austritt verkündet. Schneider, eine wichtige Stimme in der deutschen Sozialpolitik, begründete seinen Austritt mit den aktuellen Querelen um Wagenknecht im Bundestag. Dass die Linksfraktion sie ans Podium gelassen habe und was diese dann – „man hätte es wissen müssen“ – vom Stapel gelassen habe, sei zu viel gewesen, schrieb Schneider.
Der Spiegel hat sich in einer ausführlichen Analyse mit dem Zerfall der Linkspartei beschäftigt. Die Autorinnen und Autoren sind der Meinung, dass die Spaltung der Linken nur noch eine Frage der Zeit sei. „Bis vor einem Jahr wurde die Linke noch als potenzielle Regierungspartei gehandelt, sie hatte sich herausgearbeitet aus der Schmuddelecke […] Davon ist keine Rede mehr, die internen Streitigkeiten sind nun nicht mehr beherrschbar.“.
Dabei gäbe es gerade in diesen Zeiten genug Themen für eine linke Partei. So ist laut aktueller Meldung beispielsweise die Kinderarmut in Deutschland auf dem höchsten Stand seit Jahren, gleichzeitig befeuert die steigende Inflation die Abstiegsängste vieler Menschen.
Als die Linkspartei vor kurzem eine Demonstration gegen steigende Energiekosten, Inflation und Armut anmeldete – den Auftakt zum sogenannten „Heißen Herbst“ – demonstrierten zeitgleich auf demselben Platz mehr als 1.000 Menschen aus der rechten und rechtsextremen Szene. Dafür konnte die Partei zwar nichts, allerdings beschreibt das WDR-Magazin Monitor in diesem Beitrag, wie dort ausgerechnet der rechtsextreme Publizist Jürgen Elsässer Sprechchöre für Wagenknecht forderte: „Und deswegen rufen wir hier alle mal, damit denen da drüben die Ohren klingeln: Sahra, Sahra, Sahra…“
Sahra Wagenknecht ist und bleibt eine erfolgreiche Ich-AG mit einem untrüglichen Gespür für die gerade angesagten „Aufregerthemen“. Immer wieder machte die Politikerin in den letzten Jahren mit ihren Positionen zu Zuwanderung, Identitätspolitik und Pandemie auf sich aufmerksam. Immer wieder widersprach sie dabei offen den Positionen ihrer Partei. In dieser Podcast-Folge von Spiegel daily erklärt ein Redakteur unter anderem, welche Strategie die Politikerin damit verfolgt.