Die Restaurants sind wegen der Corona-Pandemie schon seit längerem geschlossen. Deshalb lassen sich die Deutschen so viel Essen liefern wie noch nie. Während des ersten Corona-Lockdowns haben laut einer Bitkom-Studie fast 44 Millionen Deutsche online bestellt – deutlich mehr als zuvor. Davon profitiert vor allem Deutschlands Essens-Lieferdienst Nummer 1: Lieferando, der zum niederländischen Konzern Just eat take away gehört. Schon vor der Krise ist die Plattform zum Monopolisten aufgestiegen und hat nun weiter stark expandiert. Die Anzahl der bestellten Speisen stieg im ersten Halbjahr 2020 auf rund 49 Millionen, ein Zuwachs von 34 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Der Umsatz verdoppelte sich von 80 Millionen Euro auf 161 Millionen Euro.
Die Fahrerinnen und Fahrer profitieren indes wenig vom Boom von Lieferando. Im Gegenteil: So müssen viele der so genannten Rider ihre Fahrräder selbst warten. Sie bekommen zwar eine Verschleißpauschale von zehn Cent pro Kilometer, allerdings nicht als Überweisung aufs Konto, sondern in Form eines Amazon-Gutscheins. Außerdem ist der Betrag bei 44 Euro im Monat gedeckelt, wie ein Lieferando-Betriebsrat berichtet.
Lieferando rühmt sich damit, dass ihre über 5000 Rider in Deutschland sozialversicherungspflichtig angestellt sind und mindestens 10,50 Euro die Stunde verdienen. Zu diesem Stundenlohn kämen Bonuszahlungen. So gibt es laut Bericht von BR Kontrovers etwa ab der hundertsten Bestellung 1 Euro mehr pro Stunde. Gewerkschaften wie etwa die NGG kritisieren jedoch, dass viele von ihnen nur befristete Einjahresverträge erhielten oder Minijobber seien.
Ein Rechercheteam des BR und PlusMinus hat herausgefunden, dass das Hauptarbeitsgerät der Fahrerinnen und Fahrer – die App auf ihrem Handy – sekundengenaue Angaben über Eingang der Bestellung, Abholung der Speisen bis hin zur Übergabe beim Kunden macht. Darüber hinaus gebe es Berechnungen, inwiefern die Rider vorgegebene Zeiten einhalten. All das werde personalisiert und teilweise über Jahre gespeichert.
Immer wieder kritisieren Mitarbeitende, dass das Unternehmen Lieferando die Gründung von Betriebsräten erschwere. „Wir mussten in Frankfurt über zwei Instanzen klagen, um Mitarbeiterlisten zu bekommen, die die Voraussetzungen sind für die Durchführung von Betriebsratswahlen. Erst als wir mit der Vollstreckungsklage gedroht haben, hat man uns diese Mitarbeiterlisten überstellt“, berichtet Philipp Schurk, Betriebsrat in Frankfurt im Bericht des BR, in dem auch Lieferando selbst zu Wort kommt.
Auch die Restaurants, die mit Lieferando zusammenarbeiten, fühlen sich zum Teil nicht gut behandelt. Sie zahlen eine Provision von 13 Prozent auf die Gesamtbestellung, wenn nur die Vermittlung über Lieferando läuft, sie das Essen aber selbst ausliefern. Wenn sie auf die Auslieferer von Lieferando zurückgreifen, sind es üblicherweise sogar bis zu 30 Prozent, wie das Politmagazin Panorama berichtet.
Eine Recherche des Bayerischen Rundfunks ergab vor kurzem auch, dass Lieferando in Deutschland bis zu 50.000 eigene Websites betreibt, die dem Internet-Angebot der jeweiligen Restaurants stark ähneln. Deutschlandfunk Nova erklärt das Vorgehen dahinter: „Konkret bedeutet das: Die Restaurant-Website, die gar nicht vom Restaurant selbst, sondern von Lieferando betrieben wird, ist bei Google teilweise höher platziert als die Original-Website – zum Beispiel, weil sie besser suchmaschinenoptimiert ist oder als bezahlte Werbeanzeige sowieso ganz oben steht.“