Die Ferien sind vorbei, zahlreiche Kinder wurden eingeschult und in Deutschland fehlen immer noch Lehrerinnen und Lehrer. Der Deutsche Lehrerverband hatte zuletzt geschätzt, dass aktuell rund 10.000 Lehrerstellen nicht besetzt seien – hinzu kämen etwa 30.000 Stellen, die notdürftig mit etwa Seiteneinsteigern, Pensionisten und Studenten besetzt würden. Unionsfraktionschef Volker Kauder zeigte sich darüber entsetzt: „Der Beginn des Schuljahres in vielen Bundesländern hat gezeigt, dass unser Land in Gefahr ist, langsam in einen Bildungsnotstand hineinzulaufen“.
Quereinsteiger waren mal als absolute Ausnahme gedacht und sind inzwischen die Regel. In Berlin etwa konnten die meisten Lehrerstellen für das neue Schuljahr zwar besetzt werden, doch weniger als 40 Prozent der neu eingestellten Unterrichtenden haben ein Lehramtsstudium absolviert. In Grundschulen sind es sogar nur 30 Prozent. Ein Erziehungswissenschaftler erklärt auf Zeit Online, wieso Crashkurse für Unerfahrene von ein bis zwei Wochen vor Schulbeginn nicht ausreichen würden – vor allem nicht in der Grundschule, in der eine pädagogische Ausbildung besonders wichtig ist.
Die zuständige Kultusministerkonferenz ist jahrelang von viel zu niedrigen Schülerzahlen ausgegangen. Bis Mai 2018 hatte man weder die geflüchteten Kinder noch den starken Geburtenzuwachs in die bundesweite Lehrerbedarfsplanung eingerechnet. Das rächt sich jetzt. In der ZDF-Dokumentation Zoom gibt der derzeitige Vorsitzende der Kultusministerkonferenz und Bildungsminister in Thüringen, Helmut Holter (Die Linke) die Nachlässigkeiten beim Zählen offen zu. Bayern ist eines der wenigen Länder, die ihren Bedarf sehr regelmäßig erheben und dann oft punktgenau liegen, wie Zeit Online berichtet.
In Thüringen versucht es die rot-rot-grüne Landesregierung jetzt mit Hortnerinnen aus der ehemaligen DDR. In der DDR unterrichteten diese Erzieherinnen auch an Schulen. Nach der Wiedervereinigung wurde ihr Abschluss jedoch nicht anerkannt. Viele von ihnen wollen jedoch gar nicht mehr unterrichten, weil ihre Ausbildung zu lange her ist, sie seitdem nicht mehr vor einer Klasse standen und zumeist 55 Jahre und älter sind, berichtet der MDR.
Der Kommentator der Süddeutschen Zeitung findet all die Maßnahmen weitgehend wirkungslos, wenn das Grundproblem nicht behoben wird. „Statt das Studium umzubauen, muss es ausgebaut werden - in vielen Bundesländern geschieht das bereits. Gerade im Osten Deutschlands sind nach der Wende die Studienplätze massiv eingekürzt worden - in der festen Erwartung, die damals rückläufigen Schülerzahlen würden auf ewig weitersinken. Diesem folgenreichen Trugschluss saßen auch die anderen Bundesländer auf. Und an dieser Fehleinschätzung hielten sie in einer Mischung aus Geiz und Trägheit viel zu lange fest.“