Vor allem in NRW und in Berlin gibt es kriminell aktive Großfamilien mit arabischen Wurzeln. In Berlin leben nach Schätzungen der Polizei knapp 20 davon. Ihnen gehören jeweils bis zu 500 Mitglieder an. Zwölf Clans, so berichtete die Berliner Zeitung im Sommer, bereiten der Polizei große Probleme, weil sie immer wieder Straftaten innerhalb der organisierten Kriminalität begehen. Aber nicht alle Familienmitglieder sind dabei kriminell.
Den Mitgliedern dieser Clans wird unter anderem Drogenhandel und Körperverletzung vorgeworfen. Sie stehen aber auch in Verbindung mit spektakulären Fällen wie der geklauten Riesengoldmünze aus dem Bode-Museum in Berlin. Im Frühjahr 2017 wurde die „Big Maple Leaf“ – Wert: über drei Millionen Euro – aus dem Museum gestohlen. Die drei mutmaßlichen Haupttäter sollen nach früheren Angaben von Ermittlern zu einer einschlägig bekannten arabischstämmigen Berliner Großfamilie gehören, berichtet der RBB hier. Die Bild-Zeitung hat den Diebstahl anhand der Anklageschrift detailliert rekonstruiert.
Wer sind diese Familien? Wie genau sieht ihre abgeschottete Parallelwelt aus? Wo kommen sie her? Was denken die Clanmitglieder über den deutschen Rechtsstaat? Diesen Fragen ist das ARD-Magazin Kontraste nachgegangen. Die Reporter haben dafür über Monate im Milieu der arabischen Großfamilien recherchiert und versuchen in diesem Beitrag, Antworten zu finden.
Wie kam es zu der Gruppenbildung? In den 1980er Jahren flohen Zehntausende Kurden und Palästinenser aus dem Libanon nach Deutschland. Hier waren sie lange Zeit nur geduldet, das bedeutet, sie konnten keiner Arbeit nachgehen und ihre Kinder waren nicht schulpflichtig. Dirk Jakob, Leiter des Dezernats Organisierte Kriminalität beim Berliner LKA, sagte dem Deutschlandfunk: „Dieses Alleinelassen hat dazu geführt, dass diese damaligen Flüchtlinge sich nur auf sich selbst, nur auf ihren Familienkreis konzentrieren konnten. Und das führte zu einer Ablehnung sämtlicher staatlicher Strukturen – und dem, was heute als Parallelgesellschaft festzustellen ist.“
Auch der Islamwissenschaftler Ralph Ghadban beschäftigt sich seit vielen Jahren mit den kriminellen Machenschaften von kurdisch-libanesischer Clans und hat darüber kürzlich ein Buch geschrieben. Im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung beschreibt er, was der Staat tun kann, um sich wieder Respekt zu verschaffen. Er fordert unter anderem, dass jede Behinderung der Polizeiarbeit hart geahndet werden müsse. Auch ein Reporter des Fernsehsenders Phoenix hat mit dem Forscher Ghadban in Berlin über diese Form der Parallelgesellschaften gesprochen.
Seit Juli 2017 ermöglicht ein neues Gesetz zur Abschöpfung krimineller Gelder eine vorläufige Sicherstellung und die Einziehung von Vermögen unklarer Herkunft. So gelang den Ermittlern in Berlin im Sommer dieses Jahres ein großer Schlag. Sie beschlagnahmten 77 Immobilien im Wert von knapp zehn Millionen Euro, die einer arabischen Großfamilie zugerechnet werden. Unter anderem Spiegel TV berichtete damals über den Fall.
Der österreichische Regisseur Marvin Kren hat die deutsche Serie „4 Blocks“ gedreht. Für die Recherche verbrachte er selber viel Zeit im Clan-Milieu. Im Zeit Online-Interview spricht er über den Vorwurf, dass seine Serie Clan-Kriminalität verherrliche, und warum sich Ermittler über die Imitation der Wirklichkeit beschweren.