32 Nationen nehmen ab dem 20. November an der Fußball-WM in Katar teil – die WM ist die mit Abstand teuerste aller Zeiten. Die Vergabe der Großveranstaltung an das Land ist immer wieder beanstandet worden. So steht Katar unter anderem wegen des Umgangs mit Gastarbeitern in der Kritik. Beim Bau der Stadien und anderer Infrastruktur für die WM seien massive Menschenrechtsverletzungen dokumentiert worden, berichtet unter anderem die ARD-Doku-Serie „Katar – WM der Schande“. Ein Problem: das so genannte Kafala-System, eine Ordnung, die die absolute Abhängigkeit der Arbeiter gegenüber den Arbeitgebern zulässt. Seit 2014 behauptet die Regierung in Katar zwar, sie habe das Kafala-System abgeschafft – Menschenrechtsexperten sind aber überzeugt davon, dass die Strukturen weiter existent sind.
Speziell für homosexuelle Menschen ist das Emirat ein gefährliches Pflaster. Piara Powar vom Fußball-Antidiskriminierungsnetzwerkes Fare berichtet: „Es gibt Anzeichen dafür, dass Menschen wegen ihrer Homosexualität noch immer im Gefängnis sind. Der Staat überwacht soziale Medien und prüft Botschaften, die von der LGBTIQ-Gemeinschaft kommen könnten. Es soll auch eine informelle Telefon-Hotline geben. Dort können Verwandte und Freunde bestimmte Personen an die Behörden melden. Und der Staat kann dann gegen sie vorgehen.“
Der mächtige Emir von Katar, Scheich Tamim Bin Hamad Al Thani, wittert aufgrund der Kritik an der WM eine Kampagne gegen sein Land. „Seitdem wir die Ehre haben, die Weltmeisterschaft auszurichten, ist Katar einer beispiellosen Kampagne ausgesetzt, die noch kein Gastgeberland jemals erlebt hat“, schimpfte er jüngst in einer Fernsehansprache. Der Angriff des Emirs ist aber wohl mehr ein Ablenkungsmanöver als alles andere.
Der Wüstenstaat selbst argumentiert gerne, man habe damals bei der Vergabe „schlicht die beste Bewerbung beim Weltverband Fifa eingereicht“. Andere bezweifeln das und sprechen sogar von der „schlechtesten Bewerbung“. Tatsächlich hat Katar den Zuspruch aber vor allem Fifa-Klüngeleien und Absprachen zu verdanken.
„Katar – WM der Schande“ ist eine vierteilige und sehr ausführliche Doku-Serie der ARD. Sie zeigt: Viele Beobachter und auch die amerikanische Justiz sind sich einig, dass das Turnier maßgeblich durch Korruption nach Katar kam. Im Jahr 2010 wurden an einem Tag gleichzeitig die Turniere für 2018 (ging an Russland) und für 2022 (Katar) vergeben – das war neu. „Es war das perfekte Szenario, um Geld zu verdienen", sagt Tariq Panja von der New York Times: „Zwei Turniere. Länder, die gegeneinander antreten. Einige davon mit unerschöpflichen Geldreserven. Unbegrenzte Ressourcen.“ Panja spricht auch den Vorabend an. „Es war die Nacht, in der die endgültigen Deals gemacht werden sollten. Im Baur au Lac, dem Fünf-Sterne-Hotel, ging es hoch her. Die eigentlichen Geschäfte spielten sich in den Suiten ab, entweder in diesem Hotel oder in anderen Hotels in der Stadt.“
Ein weiterer Kritikpunkt ist der Slogan und die Umsetzung der angeblich „nachhaltigsten Fußball-Weltmeisterschaft aller Zeiten“ (so die Fifa). Dabei heißt Fußballspielen in Katar vor allem Kicken in größter Hitze. Die Temperaturen waren einer der Hauptgründe für die Entscheidung, die Fußball-Weltmeisterschaft 2022 um fünf Monate nach hinten zu verschieben – in den vergleichsweise kühlen November. „Kühl“ bedeutet im Falle von Katar jedoch, so Business Insider, dass Temperaturen um die 30 Grad Celsius herrschen. Heruntergekühlt werden sollen jetzt sogar die Stadien – klimafreundlich geht anders. Christian Behrens von der Deutschen Umwelthilfe meint dann auch: „In Katar zielen sie sehr stark auf den Begriff der Klimaneutralität ab – und gleichzeitig wissen alle, dass dort etwas geschaffen wird, das ökologisch nicht nachhaltig ist. Das hat schon den Charakter von Greenwashing.“
Auch Berichterstattende, WM-Besucherinnen und Besucher können sich vor Ort nicht frei bewegen. So muss sich etwa jeder WM-Gast vor Einreise zwei Apps aufs Handy laden. Sorgen bereitet etwa, so berichtet netzpolitik.org, die App Ehteraz, die Infektionen mit dem Coronavirus nachverfolgen soll. Einmal installiert, kann sie unter anderem auf sämtliche Daten auf dem Handy zugreifen, W-Lan- oder Bluetooth-Verbindungen überwachen und den genauen Standort auslesen.
Journalistinnen und Journalisten kriegen vor dem Turnier wiederum Vorgaben für Dinge, die sie nicht filmen dürfen. Filmverbot besteht beispielsweise in Regierungsgebäuden, Arbeiterunterkünfte, Universitäten, Krankenhäusern und bei Privatunternehmern – und sogar bei Einheimischen in deren Privaträumen. Kritiker sehen darin eine „starke Zensur“, die verhindern soll, „dass die Zustände in Katar während der WM offen und ehrlich beleuchtet werden können“.
Aber auch Deutschland hat sich bei der WM-Vergabe für die WM 2006 nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Es gibt zum jetzigen Zeitpunkt kaum noch Zweifel, dass die Fußball-Weltmeisterschaft 2006, das deutsche „Sommermärchen“, gekauft war. Jedenfalls, so Zeit Online in einer Analyse, haben die deutschen WM-Macher schwer gemauschelt.