Wer der Meinung ist, jemand anders verstoße gegen das Gesetz, der wendet sich in Deutschland an die Polizei. Die hat die Aufgabe, neutral zu ermitteln, ob tatsächlich ein Verbrechen vorliegt. Doch was, wenn der Beschuldigte selbst Polizist ist? Hierzulande ermittelt die Polizei dann in der Regel gegen jemanden aus ihren Reihen – und das führt zu Problemen. Laut Verfassung dürfen Polizisten in Situationen, die es erfordern, körperliche Gewalt anwenden. Zum Beispiel bei Festnahmen. Dabei gilt aber immer der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. In vielen Fällen berichten Teilnehmer von Demonstrationen, aber die Polizei sei gewalttätiger gewesen als notwendig. Das ARD Magazin Monitor hat mit Menschen gesprochen, die erfahren haben, wie rabiat das Vorgehen von Polizisten sein kann.
Wer eine Anzeige gegen einen Polizisten stellt, weil er sich unverhältnismäßig hart angegangen fühlt, hat in der Regel schlechte Karten. Im Jahr 2016 wurden 90% aller Verfahren eingestellt, bei denen es um Polizeigewalt ging. Das ergab eine Auswertung des Kriminologen und Juristen, Prof. Tobias Singelnstein von der Ruhr-Universität Bochum in Zusammenarbeit mit dem ARD-Politikmagazin Report Mainz.
Doch warum ist das so? Schließlich muss die Polizei per Gesetz gegen jede (mögliche) Straftat ermitteln. Experten sprechen vom sogenannten „Corpsgeist“. Ermitteln die Beamten gegen jemanden aus ihren Reihen, neigen sie dazu, sich den Kollegen gegenüber loyal zu verhalten. Deshalb fordert die Fraktion der Linken im Bundestag, die Einrichtung von unabhängigen Polizeibeschwerdestellen auf Bundesebene. Diese sollen unabhängig und mit allen notwendigen Befugnissen ausgestattet, ermitteln können.
Die Beschwerdestellen sollen sich aber nicht nur an Opfer von Polizeigewalt wenden. Laut Gesetzantrag sollen auch „Polizistinnen und Polizisten, die mit der Art von Ermittlungen, dem Umgang mit Zeugen (…) oder anderen Verhaltensweisen im Rahmen der Polizeiarbeit nicht einverstanden sind, die sich jedoch aufgrund eines Corpsgeistes nicht an ihre Vorgesetzten wenden,(…) ebenfalls die Möglichkeit haben, außerhalb der Institution Polizei ihre Beschwerden vorbringen zu können.“ Das könnte auch die Beamten selbst schützen und entlasten. Es ist nicht das erste Mal, dass solche Beschwerdestellen gefordert werden. Bisher aber mit eher mäßigem Erfolg. Was wir von anderen Ländern lernen können und warum unabhängige Ermittlungen gut für den Ruf der Polizei sind, damit hat sich der Politikwissenschaftler Nobert Pütter befasst. Sein Artikel „Kontrolle der Polizei – Demokratische Selbstverständlichkeit oder starker Staat“ erschien 2011 in der Fachzeitschrift „Bürgerrechte und Polizei“.
Denn auch Polizisten werden immer häufiger attackiert. Innerhalb von vier Jahren ist die Zahl der Gewaltdelikte um 22 Prozent gestiegen. Der stellvertretende Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Jörg Radek spricht von „zunehmender Respektlosigkeit“. Oft reiche schon die Frage eines Beamten nach dem Ausweis, um angegriffen zu werden.
Polizisten üben einen Ausnahmeberuf aus. Von ihnen wird verlangt, in chaotischen Situationen, wie Fußballspielen oder Großdemonstrationen, für Ordnung zu sorgen. Wie schwierig es ist, dabei die richtigen Entscheidungen zu treffen, hat der NDR-Reporter Martin Rieck erfahren. Für die Doku 7 Tage... unter Polizisten hat er eine Woche mit Bereitschaftspolizisten in Hannover verbracht.