Millionen Deutsche sind täglich auf ihn angewiesen: der öffentliche Personennahverkehr. Im vergangenen Jahr wurden laut dem Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) insgesamt 10,4 Milliarden Kunden im Nahverkehr befördert. Im Vergleich zum Vorjahr ist das ein Plus von 0,6 Prozent. Zugleich handelt es sich um den 21. Rekord in Folge. Doch der ÖPNV kämpft vielerorts. Vor allem in Großstädten ist die Technik oft veraltet, die Bahnen massiv überfüllt. Es müsse mehr Geld in den ÖPNV fließen, fordert der VDV. Fünf Milliarden Euro will der Lobbyverband und sieht dabei vor allem den Bund in der Pflicht. Ein Autor der Zeit hat sich mit den wichtigsten Zahlen des ÖPNV befasst und erklärt, warum die Betreiber nichts von einem kostenlosen Nahverkehr halten.
Das Ruhrgebiet ist eine der dichtbesiedelsten Regionen Deutschlands. Hier müssen besonders viele Menschen pendeln. Doch nur 10 Prozent nutzen dafür den ÖPNV. Das hat negative Auswirkungen auf den Berufsverkehr – in keinem anderen Bundesland steht man so viel im Stau wie in NRW. Doch warum ist der öffentliche Nahverkehr für die meisten keine Alternative? Das ZDF-Magazin Frontal 21 hat eine Pendlerin aus dem Ruhrgebiet begleitet, die für ihren 11 Kilometer langen Arbeitsweg 90 Minuten unterwegs ist.
Der Regionalverband Ruhr, ein Zusammenschluss von elf kreisfreien Städten im Ruhrgebiet, hat die Schwächen des Nahverkehrs analysiert. Vor allem die vielen Tarifzonen und das viele Umsteigen sind ein Problem. Der Bericht kommt zu einem aberwitzigen Ergebnis: Die europäische Metropolen wie Paris, Brüssel oder Barcelona sind von Essen aus leichter zu erreichen als Dinslaken-Lohberg im Kreis Wesel.
Wie einfach guter Nahverkehr sein kann, hat ein Redakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung erfahren – jedoch fernab der Heimat. Er reiste vom Rhein-Main-Gebiet nach Singapur. Die Anreise zum Flughafen in Deutschland, beschreibt er als teuer und unübersichtlich: Der Rhein-Main-Verkehrsverbund hat seine Tarifinformationen in einem Dokument zusammengefasst. Es ist ein Buch geworden, es hat 177 Seiten. Das ist nicht etwa der Fahrplan, sondern es sind allein Informationen über Tarife und Beförderungsbedingungen. Leseprobe: „Mit Fahrkarten der Preisstufe 3 darf immer das gesamte A-Tarifgebiet befahren werden, sofern sich die Preisstufe 3 nicht aus einer tarifgrenzüberschreitenden Fahrtrelation ergibt.“ Im fremden Singapur fällt ihm die Orientierung dagegen deutlich leichter als in seinem Heimatland: In weniger als zwei Minuten ist eine wiederaufladbare Chipkarte für U-Bahn und Bus gekauft. Anonym, ohne Angabe persönlicher Daten. Beim Betreten des MRT, Mass Rapid Transit, öffnet man mit der Karte ein Drehkreuz, man sieht sein verfügbares Guthaben auf einem Display, und beim Verlassen wird der angefallene Betrag von der Karte abgebucht.
Dabei wird der ÖPNV in Zukunft eine größere Rolle spielen müssen – und zwar nicht nur im Ruhrgebiet. Denn er ist deutlich umweltfreundlicher als Autofahren. Als die EU Deutschland mit Strafen drohte, da in vielen Städten die Stickstoffoxide überschritten werden, startete die Bundesregierung ein Projekt. Fünf Modellstädte wurden ausgewählt, die sich aus einem Fördertopf von 130 Millionen Euro bedienen durften. Ziel: den ÖPNV möglichst kostenlos zu machen, um die Stickstoffwerte zu verbessern. Doch die Modellstädte Bonn, Essen, Herrenberg, Reutlingen und Mannheim erteilten dem hehren Ziel vom Gratisnahverkehr eine Absage. Woran es scheiterte und was stattdessen aus dem Projekt wurde, damit beschäftigt sich die Süddeutsche Zeitung.
Ab in die Bahn oder den Bus, ohne dafür zu bezahlen. Wer das tut, der begeht eine Straftat. Wird man beim Schwarzfahren erwischt, muss man meist 60 Euro zahlen. Wer sich das nicht leisten kann, dem droht sogar eine sogenannte Ersatzfreiheitsstrafe. Das WDR-Politikmagazin Monitor hat bei den Bundesländern nachgefragt, wie viel die Verfahren den Staat jährlich kosten. Ergebnis: 200 Millionen Euro.