„Fördern und fordern“ – das hatte die Politik bei der Einführung von Hartz IV als Credo festgelegt. Wer arbeitslos geworden ist, der soll vom Jobcenter unterstützt werden, einen neuen Beruf zu finden. Ein Mittel, zu dem Arbeitsvermittler greifen, sind Weiterbildungsmaßnahmen. Die Idee: In Kursen sollen Arbeitslose etwas lernen, was ihnen die Suche nach einer neuen Beschäftigung erleichtert. Wie weit Wunsch und Wirklichkeit auseinander gehen können, zeigt eine Reportage von ZDF zoom. Die Autoren haben sich Weiterbildungsmaßnahmen genauer angeschaut und festgestellt, dass einige Anbieter wohl eher die eigenen finanziellen Interessen als die Zukunft der Teilnehmer im Blick haben.
Die Vergabepraxis der Kurse wird auch vom Bundesrechnungshof kritisiert. Der hat berechnet, dass durch nicht sachdienliche Kurse jedes Jahr ein Schaden von 190 Millionen Euro entsteht. Doch auch für die Kursteilnehmer entsteht ein Schaden, oft psychischer Natur. Denn die verpflichtende Teilnahme an den Kursen empfinden viele als Demütigung. Die Augsburger Allgemeine Zeitung berichtet über so einen Fall: Eine erwachsene Frau soll in einem Kurs „Wörter mit tz“ aufschreiben. Schweregrad und Formulierung der Aufgabe lassen darauf schließen, dass die Arbeitsblätter für Grundschüler konzipiert wurden.
Wer an den Kursen nicht teilnimmt, dem drohen Sanktionen. Das heißt, wer sich nicht an die Anweisungen des Jobcenters hält, der bekommt weniger Geld. Alleine im vorigen Jahr sprachen die Jobcenter fast eine Million solcher Sanktionen gegen Hartz-IV-Empfänger aus. Diese Praxis ist umstritten, da Menschen, die Hartz IV beziehen, per Definition bereits am Existenzminimum leben. Oftmals reicht es schon, einen Termin zu versäumen, um bestraft zu werden. Was es bedeutet, in dieser Situation sanktioniert zu werden und wie die Jobcenter das Vorgehen begründen, zeigt das MDR-Magazin Exakt.
Ziel der Jobcenter ist es, möglichst viele Menschen aus der Arbeitslosigkeit zu holen. Doch wer offiziell nicht mehr arbeitslos ist, hat nicht automatisch einen Job. Klingt widersprüchlich, ist aber darin begründet, dass Menschen, die beispielsweise in einer der kritisierten Maßnahmen sind, nicht mehr zu den Arbeitslosen gezählt werden. Und je mehr Menschen aus der Arbeitslosenstatistik gestrichen werden können, desto erfolgreicher die Jobcenter. Der Tagesspiegel zeigt in einem Artikel, wie diese Praxis den Druck auf die Angestellten der Jobcenter erhöht und warum das auf Kosten der Arbeitslosen geht: „Ob so ein Kurs den Arbeitslosen etwas bringt, spielt bei der Vergabe keine Rolle“ zitiert die Zeitung eine ehemalige Jobcenter-Mitarbeiterin.
Hartz IV gibt es nun seit 14 Jahren. Für die Reform von Arbeitslosengeld und Sozialhilfe eine nötige Kehrtwende zu einer zukunftsfähigen Sozialpolitik. Andere wiederum kritisieren Hartz IV als ungerecht und sehen darin ein System, das Arbeitslose in eine Armutsspirale zieht. Orange zieht Bilanz und zeigt an Beispielen, was sich für Betroffene seit der Einführung geändert hat.