Erstwählende in Deutschland haben sich bei der Bundestagswahl 2021 vor allem für FDP und Grüne entschieden. Laut Infratest Dimap und ARD teilen sich die beiden Parteien mit jeweils 23 Prozent die höchsten Stimmanteile. Die bisherigen Regierungsparteien sind bei der jungen Wählerschaft weniger beliebt. Den dritten Platz sichert sich die SPD mit 15 Prozent, gefolgt von Union (zehn Prozent), Linkspartei (acht Prozent) und der AfD (sechs Prozent).
Genau diese beiden Parteien, Bündnis 90/Die Grünen und die FDP, gelten jetzt als Königsmacher des zukünftigen Kanzlers. Grüne und FDP trafen sich bereits zwei Tage nach der Wahl, um über eine gemeinsame Regierungsbeteiligung zu sprechen. An diesem Abend entstand auch das mittlerweile beinah legendär gewordene Selfie: Die Grünen Annalena Baerbock und Robert Habeck, FDP-Chef Christian Lindner und sein Generalsekretär Volker Wissing posten am späten Dienstagabend ein gemeinsames Foto auf Instagram. Von Sonntag an steigen auch die SPD und die Union in Gespräche ein. Beide streben jeweils ein Bündnis mit Grünen und FDP an – also entweder eine sogenannte Ampel-Koalition unter Führung der SPD oder ein sogenanntes Jamaika-Bündnis unter Führung der Union.
Es ist nicht leicht, Gemeinsamkeiten in den Programmen von Grünen und FDP auszumachen. Dennoch gibt es sie, beispielsweise im Bereich der inneren Sicherheit. Schnittmengen liegen etwa bei dem Einsatz gegen die Vorratsdatenspeicherung und der Ablehnung von Videoüberwachung mit Gesichtserkennung, wie die taz berichtet. Beide Parteien sind für das Wahlrecht ab 16 Jahren.
Unbestreitbar sind aber auch einige Gegensätze. Liberale und Grüne werden für ein Bündnis Zugeständnisse machen müssen. Das Handelsblatt schreibt: „Das offensichtlich größte Auseinanderdriften zwischen den vier Parteien zeigt sich in der Steuerpolitik: Union und FDP wollen runter, SPD und Grüne rauf.“ Zum Thema Mindestlohn äußerte sich die FDP bislang nur selten. Eine Erhöhung auf 12 Euro, wie es SPD und Grünen vorschwebt, dürfte für Christian Lindner nur schwer zu verdauen sein, so die taz.
Der Wirtschaftspolitik von Politikerinnen und Politikern aus Union und der FDP folgt häufig dem so genannten Trickle-Down-Prinzip. Es besagt in Kürze, dass Einkommenszuwächse bei den Reichen auch bis zur Mittelschicht und den Ärmeren durchdringen. Diese Theorie ist allerdings schon oft kritisiert und auch widerlegt worden. Etwa vom britischen Soziologe Andrew Sayer. „Die Reichen mögen behaupten, ihr Reichtum sickere nach unten durch, wenn sie ihn ausgeben und dadurch Arbeitsplätze schaffen – es muss schließlich jemand nach all den Villen und Yachten sehen. Aber da sie mehr haben, als sie ausgeben können, verwenden sie einen geringeren Teil ihres Einkommens auf Güter und Dienstleistungen.“
In acht Bundesländern gibt es inzwischen Regierungen, die aus drei Parteien bestehen - aber nur Rheinland-Pfalz wird von einem Bündnis aus SPD, Grünen und FDP geführt. Dort funktioniert das Ampel-Bündnis bereits geräuschlos. Auch Schleswig-Holstein (Jamaika-Koalition), wo Robert Habeck, Co-Chef der Grünen, bis Februar 2018 als Minister für Energiewende, Umwelt, Landwirtschaft und Digitalisierung mitregierte, hat gewissen Modellcharakter. Von dort speist sich das Selbstbewusstsein der beiden kleinen Partner Grüne und FDP, zunächst unter sich handelseinig zu werden, so wie es jetzt auch auf Bundesebene praktiziert wird, berichtet der BR.
Umfragen ergeben, dass die meisten Deutschen sich lieber eine Ampel-Koalition statt ein Jamaika-Bündnis wünschen. 37 Prozent der Befragten wollen die Ampel. Immerhin 23 Prozent würden auch mit einer Scholz-geführten Groko Vorlieb nehmen. 19 Prozent wollen unter den jetzigen Umständen ein Jamaika-Bündnis aus Union, Grünen und der FDP mit einem Kanzler Laschet.