Bürgermeisterinnen, Bürgermeister und Gemeinderäte werden immer häufiger Opfer von körperlicher und verbaler Gewalt. Das zeigt eine Umfrage des Fachblatts Kommunal unter mehr als 1000 Bürgermeistern in ganz Deutschland vom vergangenen Jahr. In jeder zwölften Gemeinde wurden Mitarbeiter oder Amtsträger körperlich angegriffen. Die Zahl der Gewaltattacken stieg damit innerhalb von zwei Jahren um 25 Prozent.
Anonyme Anrufe, sexuelle Drohungen, eingeschlagene Scheiben, Hetztiraden im Netz: Seit Jahren werden Politikerinnen und Politiker, ob haupt- oder ehrenamtlich, in Deutschland beleidigt, bedroht und angegriffen. In der NDR-Doku 45 Minuten kommen Betroffene zu Wort und berichten von Angriffen, etwa Ursula Oehlschläger aus Hildesheim, die für die Grünen in ihrer Heimatstadt aktiv ist: „Du Schwein, du alte Drecksau, dich kriegen wir noch“, gehören dabei noch zu den harmloseren Beschimpfungen.
In der phoenix-Runde sprachen Bürgermeister aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Bayern über solche Angriffe und mögliche Gegenmaßnahmen – und die Frage, warum man heutzutage überhaupt noch Bürgermeister werden will.
Der Bayerische Rundfunk berichtet, dass zur Kommunalwahl in diesem Jahr viele der amtierenden Bürgermeister nicht mehr antreten wollen. Dabei spielen auch Anfeindungen und vor allem die Arbeitsbelastung, die der Beruf mit sich bringt, eine Rolle. Die Gemeindevorsteherwerden für vieles verantwortlich gemacht - auch wenn etwa die Schuhe eines Bürgers „plötzlich verschwinden“, wie in einem Fall in Bayern passiert.
Neue Gesetze gegen Hasskriminalität sind gut gemeint, aber für deren Umsetzung braucht es mehr Richter und Staatsanwälte. Der Deutsche Richterbund rechnet bei Anwendung der geplanten Gesetze mit bis zu 150.000 zusätzlichen Verfahren pro Jahr.
Nicht nur Politiker werden attackiert: Mit Aggressionen und Angriffen gegen sie haben auch Feuerwehrleute, Sanitäter und Amateur-Schiedsrichter zu kämpfen. Im Jahr 2018 gab es in Deutschland 700 registrierte Angriffe auf Rettungskräfte. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der AfD-Bundestagsfraktion (Seite 14) hervor. Da werden auch mal Rettungssanitäter beschimpft, die ein kleines Kind reanimieren, weil der Rettungswagen während des Einsatzes das Auto des Mannes „zugeparkt“ hatte.
Woher kommt diese Wut? Der Tagesspiegel hat mit dem Münchner Psychologen Dieter Frey gesprochen. Der glaubt, dass ein Mix aus verschiedenen Faktoren dazu führt, dass der Respekt voreinander verloren geht und Menschen schneller ausrasten. Da sei zum einen das Gefühl des Kontrollverlustes im eigenen Leben – etwa durch Globalisierung und Digitalisierung: Die Leute suchten sich dann Sündenböcke für ihren Frust. Dieser entlädt sich oftmals gegen Staatsdiener. Ein weiterer Faktor ist laut Frey das Netz, wo eine aggressivere und unpersönlichere Kommunikation stattfinde.