Papst Franziskus sieht in der „Gender-Ideologie“ einen „Weltkrieg gegen die Ehe“, der Verein Deutsche Sprache im „Gender-Unfug“ einen „zerstörerischen Eingriff in die deutsche Sprache“ und Rechtspopulisten in ganz Europa wie etwa in Ungarn bekämpfen den „Genderwahn“. Die 3sat-Dokumentation „Wer hat Angst vorm Genderwahn?“ befasst sich damit, warum die Idee hinter dem Gendern und einer geschlechtergerechten Sprache für viele so bedrohlich wirkt. Dafür kommen Gegnerinnen und Gegner dieser Form der Geschlechtergerechtigkeit zu Wort wie der SPD-Politiker Wolfgang Thierse und Befürworter wie der Berliner Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch.
In vielen deutschen Behörden gibt es bereits Leitlinien oder Empfehlungen für eine „geschlechtergerechte Verwaltungssprache“. So etwa in Hannover. Wähler sollen dort nun zum Beispiel als „Wählende“ bezeichnet werden, aus einem Rednerpult wird ein „Redepult“.
Der Hamburger CDU- Chef Christoph Ploß fordert ein Genderverbot für staatliche Einrichtungen. Seine Begründung gegen Sternchen und Binnen-I: „Diese Sprache ist nicht nur grammatisch falsch. Sie weist auch einen völlig falschen Weg. Sie steht nämlich für den Trend, dass in unserer Gesellschaft Menschen immer stärker in Kollektive eingeordnet werden.“
In einigen deutschen Medien wird mittlerweile gegendert, andere entscheiden sich bewusst dagegen. So etwa bei der Zeit. Im Podcast erzählt Textchef Christof Siemes, warum sich die Redaktion dort gegen die so genannte geschlechtergerechte Schreibweise entschieden hat, und erläutert linguistische und historische Hintergründe der Debatte.
Im ZDF ist es den einzelnen Programmen sowie Moderatorinnen und Moderatoren selbst überlassen zu gendern. Die Redaktion der ZDF-Dokureihe plan b hat sich dafür entschieden. Ihr Argument: „Wir von plan b meinen, dass Sprache zu wichtig ist, um sie erst dann zu überdenken, wenn alle anderen Probleme gelöst sind. Denn wir alle, die wir sprechen und schreiben, prägen unsere Sprache – und sie uns. Sprache ist schon immer im Fluss. Sie verändert sich, weil die Welt und unsere Sicht auf sie sich fortwährend verändern.“ Bei den Kollegen gibt es eine längere Erklärung und eine Übersicht über die verschiedenen Formen des Genderns wie etwa der Gender-Gap oder das Binnen-I.
Das Wissenschaftsmagazin Quarks hat sich verschiedene Studien zum Thema angeschaut. Ein Fazit: Viele psycholinguistische Studien zeigten, dass sich die meisten Menschen bei Sätzen, die im generischen Maskulinum formuliert sind, vor allem Männer vorstellen würden. Fragt man etwa Versuchspersonen nach berühmten Musikern oder Schriftstellern, nennen sie signifikant mehr Männer, als wenn nach „Musikerinnen und Musikern“ gefragt wird.
Weil ein Student an der Universität Kassel nicht genderte, bekam er eine schlechtere Note – so hieß es zumindest in einigen Berichten Anfang April. Was hinter der Geschichte steckt, erzählen der Spiegel und die hessenschau. Die Studierenden sollten für eine bestimmte Prüfung lernen, dass es Sprachsensibilität gibt, und zwar nicht nur bei Geschlechtern. Das Gelernte sollte dann in Praxisübungen angewendet werden – dabei war gendergerechte Sprache nur eines von insgesamt 15 Kriterien neben etwa Zitierweisen. Das sei vorher auch so angekündigt gewesen. Noten gab es nicht, nur „bestanden“ oder „nicht bestanden“.
Laut einer Umfrage von Infratest dimap für die „Welt am Sonntag“ halten 65 Prozent der Bevölkerung nichts von einer stärkeren Berücksichtigung unterschiedlicher Geschlechter in der Sprache. Ein Verbot der gendergerechten Sprache in öffentlichen Einrichtungen jedoch, so wie es die französische Regierung kürzlich als Gesetzentwurf in die Nationalversammlung eingebracht hat, lehnen 51 Prozent der Deutschen „eher ab“, 36 Prozent würden es „eher begrüßen“.
Ärzte, Politiker, Richter – bei männlichen Bezeichnungen sind Frauen oft mitgemeint. Doch gilt das andersherum genauso? Da waren sich vor einiger Zeit zwei Bundesministerien nicht einig: Ein Referentenentwurf aus dem Haus von Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) zum Insolvenzrecht sorgte für Aufregung, weil er nahezu ausschließlich weibliche Formulierungen enthielt. Das Bundesinnenministerium unter Horst Seehofer (CSU) legte deswegen Widerspruch ein. Um rasch eine Einigung im Kreis der Ministerien zu erzielen, setzte sich am Ende die männliche Form durch – und so hieß es doch nur „Schuldner“ und nicht „Schuldnerin“.
Petra Gerster, bis vor Kurzem noch Moderatorin der ZDF heute-Nachrichten, entschloss sich vor einigen Monaten in ihren Moderationen auch die weibliche Form mit einer kurzen Pause zu integrieren. Das hörbare Gendern trug Gerster viel Kritik ein. „Vor allem ältere Männer regen sich sehr darüber auf“, sagte Gerster den Zeitungen Münchner Merkur und tz. Sie verstehe das Unbehagen, da manche fürchteten, „dass da alles umgekrempelt werden soll“. Aber diese Sorge sei unbegründet. „Der Genderstern ist nur ein winziges Zeichen, das dafür sorgt, dass Frauen, die bisher im männlichen Plural verschwanden, sichtbar werden.“
Ein längeres Porträt über die Journalistin Petra Gerster und ihre Motive findet sich beim Magazin der Süddeutschen Zeitung.