Am Freitag wurde im Deutschen Bundestag über eine Änderung des Tierschutzgesetzes debattiert. CDU/CSU und SPD wollten die Übergangsregelung verlängern, die die Kastration von Ferkeln noch bis zum 31. Dezember 2018 ohne Betäubung erlaubt. Ihre Begründung: Eine Verschiebung der Frist sei zwingend erforderlich, da die „derzeit verfügbaren Alternativen den Anforderungen der Praxis nicht gerecht“ würden.
Der wirkliche Grund, meint zumindest die Süddeutsche Zeitung, seien indes die Kosten. Es sei kaum zu fassen, dass massenhaft Tiere wegen zwei bis fünf Euro Kosten pro Ferkel weiter leiden sollten. Und Alternativen wie eine einfache Betäubung wären längst vorhanden, seien für die Landwirte aber zu teuer. Dabei könnten die 20 Millionen männlichen Ferkel pro Jahr vor unnötigen Qualen geschützt werden.
Warum werden so viele männliche Ferkel kastriert? Der Grund ist der unangenehme Geruch und Geschmack, den das Fleisch von Ebern beziehungsweise nicht kastrierten männlichen Schweinen haben kann. Allerdings entwickeln sich wohl nur fünf bis zehn Prozent der Eber zum „Stinker“. Der Hessische Rundfunk befragt einen Bio-Landwirt, der seine Tiere nur unter Narkose kastriert. Das ist mit knapp fünf Euro pro Schwein teurer als die Abtrennung ohne Betäubung. Der Bauer rechnet vor: Ein Schwein, das ungefähr 100 Kilogramm Fleisch liefert, würde mit einer Narkose-Kastration nur circa 2,5 Cent pro Kilogramm im Supermarkt mehr kosten.
Auch Grünen-Chef Robert Habeck findet die Argumentation der Regierung und der Landwirte nicht nachvollziehbar. Er wirft Landwirtschaftsministerin Klöckner (CDU) vor, seit Jahren gültige Gesetze auszusetzen. Es habe fünf Jahre Vorbereitungszeit für Alternativen zur Kastration ohne Betäubung gegeben. Eine Alternative wäre etwa eine Art Impfung gegen den entstehenden Ebergeruch. Dadurch, so Habeck im taz-Interview, werde verhindert, dass sich die männlichen Geschlechtsteile ausbilden und der Ebergeruch entstehe.
Mit 60 Millionen Tieren jährlich unterhält Deutschland die drittgrößte Schweinefleischproduktion weltweit, nach China und den USA. In anderen Ländern wurde die martialische Praxis der Abtrennung ohne Betäubung längst abgeschafft. Zu Recht, sagt der Wiener Professor und Tierarzt Johannes Baumgartner im Interview mit der Welt, denn: „Die Kastration verursacht einen dumpfen, lang anhaltenden Eingeweideschmerz. Bis zu 48 Stunden lang lassen sich erhöhte Cortisolwerte im Blut nachweisen, ein Zeichen für Stress und indirekt von Schmerzen.“